Ableitungen von Potenz- und Wurzelfunktionen

Allgemein können Potenz- und Wurzelfunktionen in der Form y = f(x) = x^n dargestellt werden, wobei n \in \mathbb{Q ^{+}} eine beliebige positive rationale Zahl ist. Diese Funktionen sind an allen Stellen ihres Definitionsbereichs differenzierbar, da bei Ableitungen von Hyperbelfunktionen ihre Steigung entweder gleich bleibt oder sich kontinuierlich ändert.[1] Es lässt sich somit jeweils eine Funktion f' (x) finden, die für jeden Wert x des Definitionsbereichs genau den Wert der Steigung von f(x) als Funktionswert liefert. Eine solche Funktion f' (x) wird Ableitungsfunktion oder kurz Ableitung von f(x) genannt.

Steigung und erste Ableitung

Die erste Ableitung f'(x) einer Funktion gibt an, wie schnell sich ihre Funktionswerte ändern; man spricht auch von der „Steigung“ von f(x). Für eine Potenzfunktion lässt sich die zugehörige Ableitung einfach nach folgender Regel bestimmen:[2]

(1)f(x) = x^n \quad \Rightarrow \quad f'(x) = n \cdot x ^{n-1}

Die Ableitung einer Potenzfunktion ist somit wieder eine Potenzfunktion, deren Grad um 1 geringer ist als die ursprüngliche Funktion.

Beispiele:

  • Für n=0 gilt f(x) = x^0 = 1. Diese Funktion liefert für alle x-Werte konstant den Wert 1, die Funktionswerte ändern sich also nicht. Die Steigung muss in diesem Fall also gleich Null sein. Nach der obigen Regel wird diese Bedingung erfüllt:

    (2)f(x) &= x^0  \\
\Rightarrow \quad f'(x) &= 0 \cdot x ^{0 -1} = 0

  • Für n = 1 entspricht f(x)=x^n der Ursprungsgeraden f(x) = x^1 = x. Für die Ableitungsfunktion ergibt sich nach Gleichung (1):

    f(x) &= x^1 \\[6pt]
\Rightarrow f'(x) &= 1 \cdot x ^{1-1} = 1 \cdot x^0 = 1

    Da eine Gerade stets eine konstante Steigung besitzt, liefert ihre Ableitungsfunktion für alle x einen konstanten Wert. Dieser Wert ist umso größer, je steiler die Gerade verläuft, und negativ, falls es sich um eine fallende Gerade handelt.

    fig-steigung-lineare-funktion

    Funktionsgraph und erste Ableitung (Steigung) der linearen Funktion y=x.

  • Für n = 2 entspricht f(x)=x^n der Normalparabel f(x) =
x^2. Für die Ableitungsfunktion ergibt sich nach Gleichung (1):

    f(x) &= x^2 \\[6pt]
\Rightarrow f'(x) &= 2 \cdot x ^{2-1} = 2 \cdot x^1 = 2 \cdot x

    Die Steigung der Normalparabel nimmt also konstant zu – von stark negativen Werten links der y-Achse (der Graph der Ableitungsfunktion befindet sich im negativen Wertebereich) bis hin zu stark positiven Werten rechts der y-Achse.

    fig-steigung-quadratische-funktion

    Funktionsgraph und erste Ableitung (Steigung) der quadratischen Funktion y=x^2.

  • Für n = 3 gilt f(x)=x^3, und für die Ableitungsfunktion:

    f(x) &= x^3 \\[6pt]
\Rightarrow f'(x) &= 3 \cdot x ^{3-1} = 3 \cdot x^2

    Die Ableitungsfunktion f'(x) = 3 \cdot x^2 befindet sich stets im positiven Wertebereich, was bedeutet, dass die Steigung der kubischen Funktion f(x) = x^3 stets positiv (bzw. Null am Punkt (0;0)) ist.

    fig-steigung-kubische-funktion

    Funktionsgraph und erste Ableitung (Steigung) der kubischen Funktion y=x^3.

  • Für n = \frac{1}{2} entspricht f(x)=x ^{\frac{1}{2}} nach den Rechenregeln für Wurzeln und Potenzen der Wurzelfunktion f(x) = \sqrt{x}. Für die und für die Ableitungsfunktion f'(x) gilt in diesem Fall:

    f(x) & = x ^{\frac{1}{2}} = \sqrt{x}\\[6pt]
\Rightarrow f'(x) &= \frac{1}{2} \cdot \left(x ^{\left(\frac{1}{2} -1\right)}\right)= \frac{1}{2}
\cdot \left(x ^{- \frac{1}{2}}\right) = \frac{1}{2} \cdot \left(\frac{1}{x ^{\frac{1}{2}}}\right) =
\frac{1}{2} \cdot \left(\frac{1}{\sqrt{x}}\right) = \frac{1}{2 \cdot \sqrt{x}}

    Die Ableitungsfunktion f'(x) = \frac{1}{2 \cdot \sqrt{x}} befindet sich ebenfalls stets im positiven Wertebereich, da die Wurzelfunktion f(x) = \sqrt{x} kontinuierlich wächst. Die Werte der Ableitungsfunktion werden jedoch immer geringer, das heißt die Wurzelfunktion wächst zunehmend langsamer.

    fig-steigung-wurzelfunktion

    Funktionsgraph und erste Ableitung (Steigung) der Wurzelfunktion y=\sqrt{x}.

Die erste Ableitung kann genutzt werden, um differenzierbare Funktionen auf maximale und/oder minimale Funktionswerte hin zu untersuchen.

Extremstellen

Hat eine Funktion an einer Stelle x_0 ein lokales Maximum („Hochpunkt“) oder Minimum („Tiefpunkt“), so ist an dieser Stelle die Steigung der Funktion und somit auch die erste Ableitung gleich Null. Der Wert der ersten Ableitung an einer Stelle x_0 ist ebenfalls dann gleich Null, wenn die zugehörige Funktion an dieser Stelle einen so genannten „Terrassenpunkt“ besitzt. In allen drei Fällen spricht man von Extremstellen, die zugehörigen Funktionswerte von f(x) werden Extremwerte genannt.

fig-hochpunkt-tiefpunkt-terrassenpunkt

Beispiel-Graphen mit einem Hochpunkt, Tiefpunkt oder Terrassenpunkt an der Stelle x_0.

Um die Extremstelle(n) einer differenzierbaren Funktion zu finden, genügt es somit, die erste Ableitung zu berechnen und diese gleich Null zu setzen. Löst man die zugehörige Gleichung, so erhält man die x-Werte von allen Extremstellen. Um zu prüfen, ob es sich bei einer Extremstelle um einen Hochpunkt, einen Tiefpunkt oder einen Terrassenpunkt handelt, kann man folgende Fälle prüfen:

  • Vor einem Hochpunkt ist die erste Ableitung (Steigung) der Funktion zunächst positiv, nach dem Hochpunkt negativ.
  • Vor einem Tiefpunkt ist die erste Ableitung (Steigung) der Funktion zunächst negativ, nach dem Tiefpunkt positiv.
  • Vor und nach einem Terrassenpunkt ist die erste Ableitung der Funktion entweder jeweils positiv oder jeweils negativ.

Es genügt also, zu einer gefundenen Extremstelle x_0 einen Wert x < x_0 und einen Wert x > x_0 in die erste Ableitungsfunktion einzusetzen und die Vorzeichen der jeweiligen Ergebnisse zu prüfen. Auf diese Weise untergliedert man letztlich den Definitionsbereich in so genannte Monotoniebereiche, also Bereiche, in denen die Steigung das gleiche Vorzeichen hat. Man kann hierfür auch eine Tabelle mit den einzelnen Abschnitten als Spalten anlegen und dort die Steigungs-Vorzeichen der einzelnen Abschnitte eintragen. Auch daran kann man die Extremwerte unmittelbar ablesen.

Bisweilen werden auch die einzelnen Hoch- bzw. Tiefpunkte untereinander verglichen. Der Hochpunkt mit dem größten Funktionswert und der Tiefpunkt mit dem niedrigsten Funktionswert werden absolute Extremstellen genannt, weitere Hoch- und Tiefpunkte bezeichnet man als lokale Extremstellen.

Krümmung und zweite Ableitung

Will man nicht nur wissen, welche Steigung eine Funktion an einer bestimmten Stelle aufweist, sondern ist auch daran interessiert, wie schnell sich die Steigung der Funktion ändert, so kann die erste Ableitung erneut abgeleitet werden. Auf diese Weise erhält man die zweite Ableitung f''(x) der ursprünglichen Funktion. Sie gibt an, wie schnell sich die Steigungswerte der Funktion ändern; die Änderung der Steigung wird als „Krümmung“ des Graphen bezeichnet.

Stellt man sich ein Fahrzeug vor, das – von oben betrachtet – auf dem Graphen der Funktion in Richtung zunehmender x-Werte entlangfährt, so gibt das „Lenkverhalten“ des Fahrzeugs Aufschluss über die Krümmung der Funktion.

  • Legt das Fahrzeug auf seinem Weg entlang des Graphen eine Linkskurve zurück, so bezeichnet man die Krümmung der Funktion als positiv.
  • Legt das Fahrzeug auf seinem Weg entlang des Graphen eine Rechtskurve zurück, so bezeichnet man die Krümmung der Funktion als negativ.
  • Kann das Fahrzeug entlang des Graphen ohne zu lenken „geradeaus“ fahren, so ist die Krümmung des Graphen gleich Null.

In verschiedenen Bereichen der Funktion kann die Krümmung unterschiedlich sein. Als anschauliche Beispiele eignen sich ebenfalls die einfachen Potenzfunktionen f(x) = x^n.

Beispiele:

  • Für n = 1 entspricht f(x)=x^n der Ursprungsgeraden f(x)
= x^1 = x. Für die 1. Ableitung f'(x) sowie für die 2. Ableitung f''(x) ergibt sich mit den Gleichungen (1): und (2):

    y = f(x) &= x^1 \\[6pt]
\Rightarrow f'(x) &= 1 = \text{konst.} \\[6pt]
\Rightarrow f''(x)&= 0

    Da die Steigung einer Geraden an allen Stellen gleich ist, tritt keine Krümmung auf: Der Wert der zweiten Ableitung ist – unabhängig vom eingesetzten x-Wert – stets gleich Null.

    fig-kruemmung-lineare-funktion

    Funktionsgraph, erste und zweite Ableitung (Steigung bzw. Krümmung) der linearen Funktion y=x.

  • Für n = 2 entspricht f(x)=x^n der Normalparabel f(x)
= x^2. Für die 1. Ableitung f'(x) sowie für die 2. Ableitung f''(x) ergibt sich entsprechend:

    y = f(x) &= x^2 \\[6pt]
\Rightarrow f'(x) &= 2 \cdot x ^1 \\[6pt]
\Rightarrow f''(x) &= 2 \cdot x^0 = 2

    Eine Parabel besitzt stets eine konstante Krümmung. Im obigen Beispiel ist die Parabel nach oben geöffnet, ihre Krümmung ist positiv. (Ein Fahrzeug müsste – von oben betrachtet – entlang der Parabel eine Linkskurve fahren.)

    fig-kruemmung-quadratische-funktion

    Funktionsgraph, erste und zweite Ableitung (Steigung bzw. Krümmung) der Parabelgleichung y=x^2.

  • Für n = 3 gilt f(x)=x^3, und für die Ableitungsfunktionen nach Gleichung (1):

    f(x) &= x^3 \\[6pt]
\Rightarrow f'(x) &= 3 \cdot x^2 \\[6pt]
\Rightarrow f''(x) &= 3 \cdot 2 \cdot x^1 = 6 \cdot x

    Die zweite Ableitung f''(x) = 6 \cdot x ist links der y-Achse negativ, was der negativen Krümmung der Funktion in diesem Bereich entspricht. Am Punkt (0;0) ist die zweite Ableitung gleich Null, an dieser Stelle hat die Funktion keine Krümmung. Im Bereich rechts der y-Achse ist die zweite Ableitung positiv, was einer Linkskrümmung des Funktionsgraphen entspricht.

    fig-kruemmung-kubische-funktion

    Funktionsgraph, erste und zweite Ableitung (Steigung bzw. Krümmung) der kubischen Funktion y=x^3.

Extremstellen und zweite Ableitung

Hat man die zweite Ableitung einer Funktion berechnet, so kann auch diese zur Klassifizierung von Extremstellen genutzt werden. Hierzu genügt es, den gefundenen Wert x_0 einer Extremstelle in die zweite Ableitung einzusetzen:

  • Hat das Ergebnis ein positives Vorzeichen, so hat die Funktion an dieser Stelle einen Tiefpunkt.
  • Hat das Ergebnis im umgekehrten Fall ein positives Vorzeichen, so hat die Funktion an dieser Stelle einen Hochpunkt.
  • Ist das Ergebnis gleich Null, so hat die Funktion an dieser Stelle einen Terrassenpunkt.

Zur Veranschaulichung dieser Zusammenhänge können als elementare Beispiele wiederum die Graphen der Funktionen x^2 und x^3 und ihrer Ableitungen betrachtet werden.

Beispiele:

  • Die Funktion f(x)=x^2 hat an der Stelle x_0 = 0 eine Extremstelle; der Wert ihrer zweiten Ableitung f''(x) = 2 an dieser Stelle ist f''(0)=2, es muss sich somit um einen Tiefpunkt handeln.
  • Die Funktion f(x)=x^3 hat an der Stelle x_0 = 0 eine Extremstelle; der Wert ihrer zweiten Ableitung f''(x)=6 \cdot x an dieser Stelle ist f''(0)=6 \cdot 0 = 0, es muss sich somit um einen Terrassenpunkt handeln.

Die Methode, die Art der Extremstellen mittels der zweiten Ableitung zu bestimmen, ist gegenüber der oben genannten Methode effizienter, da nur einmal ein x-Wert in eine Funktion eingesetzt und der zugehörige Funktionswert berechnet werden muss.

Wendepunkte

Ändert sich an einer Stelle x_0 die Krümmung einer Funktion, so ist an dieser Stelle die zweite Ableitung gleich Null. Diese Bedingung kann genutzt werden, um so genannte Wendepunkte einer Funktion zu bestimmen.

Um Wendepunkte einer differenzierbaren Funktion zu finden, genügt es somit, die zweite Ableitung zu berechnen und diese gleich Null zu setzen. Löst man die zugehörige Gleichung, so erhält man die x-Werte aller möglicher Wendepunkte; durch Einsetzen der x-Werte in die ursprüngliche Funktion erhält man die zugehörigen y-Werte. Es muss allerdings – ähnlich wie bei Extremstellen – geprüft werden, ob es sich bei den jeweiligen Stellen tatsächlich um Wendepunkte der Funktion handelt:

  • Ist die zweite Ableitung (Krümmung) einer Funktion zunächst negativ und anschließend positiv oder umgekehrt, so handelt es sich um einen Wendepunkt.
  • Hat die zweite Ableitung (Krümmung) einer Funktion sowohl vor als auch nach einer Stelle x_0 das gleiche Vorzeichen, so ist diese Stelle kein Wendepunkt.

Es genügt also, zu einer gefundenen Nullstelle x_0 der zweiten Ableitung einen Wert x < x_0 und einen Wert x > x_0 in die zweite Ableitungsfunktion einzusetzen und die Vorzeichen der jeweiligen Ergebnisse zu prüfen.[3]


Anmerkung:

[1]

Diese Regel lässt sich mit Hilfe des Differentialquotienten und der allgemeinen binomischen Formel herleiten. Für y = f(x) = x^n lautet der Differentialquotient:

\frac{\mathrm{d}y}{\mathrm{d} x} = \lim _{x \to 0} \left( \frac{(x +
\Delta x) ^n - x^n}{\Delta x}\right) = \frac{\big(x^n + \binom{n}{1}
\cdot x^{n-1} \cdot (\Delta x)^1 + \ldots + \binom{n}{n-1} \cdot x^1
\cdot (\Delta x) ^{n-1} + \binom{n}{n} \cdot (\Delta x)^n\big) -
x^n}{\Delta x}

Die beiden x ^{n}-Terme heben sich dabei aufgrund des unterschiedlichen Vorzeichens auf. Alle verbleibenden Zählerterme enthalten \Delta x als Faktor, so dass dieser ausgeklammert und gekürzt werden kann. Mit dem Binomialkoeffizienten \binom{n}{1} = n folgt:

\frac{\mathrm{d}y}{\mathrm{d} x} = \lim _{\Delta x \to 0} \left( n
\cdot x ^{n-1} + \binom{n}{2} \cdot x ^{n-2} \cdot (\Delta x)^1 + \ldots
+\binom{n}{n-1} \cdot x^1 \cdot (\Delta x) ^{n-2} + (\Delta x)
^{n-1}\right)

Geht in diesem Term \Delta x gegen Null, so werden alle Terme, die \Delta x als Faktor beinhalten, gegenüber dem Term n \cdot x
^{n-1} vernachlässigbar klein. Das Ergebnis entspricht somit der obigen Ableitungsregel für Potenzfunktionen.

[2]Dies ist gleichbedeutend damit, dass die Graphen keine „Knicke“ besitzen, vgl. Abschnitt Differenzierbarkeit.)
[3]

Sofern die dritte Ableitung der Funktion bereits berechnet wurde, kann auch diese genutzt werden, um zu überprüfen, ob es sich bei einer Stelle x_0 um einen Wendepunkt handelt: Setzt man diesen Wert in die dritte Ableitung ein und ist das Ergebnis ungleich Null, so handelt es sich um einen Wendepunkt.

Ist die dritte Ableitung an der untersuchten Stelle f'''(x_0) = 0, so kann ein Wendepunkt jedoch nicht ausgeschlossen werden! Die oben genannte Methode ist also für die Bestimmung von Wendepunkten zu bevorzugen.