Folgen und Reihen¶
Folgen und ihre Eigenschaften¶
Ordnet man jeder natürlichen Zahl eine reelle Zahl eindeutig zu, so entsteht eine unendliche (reelle) Folge . Die einzelnen Werte der Folge heißen Folgenglieder und werden mit Indizes durchnummeriert:
Im Unterschied zu einer Menge kann bei einer Folge ein und das selbe Glied mehrere Male auftreten. Die Definition einer Folge kann auf zweierlei Arten erfolgen:
Viele Folgen lassen sich nach einem Bildungsgesetz mittels eines Terms aufstellen. Das Bildungsgesetz wird hierzu in runde Klammern geschrieben. Beispiel:
Ist (mindestens) das erste Folgenglied bekannt und besteht eine Rechenvorschrift, wie sich ein Folgenglied aus einem vorhergehenden berechnen lässt, so sind alle Glieder einer Folge ebenfalls eindeutig festgelegt. Dieses Vorgehen wird als „Rekursion“ bezeichnet. Beispiel:
Die obige Zahlenfolge wird auch zu Ehren von Leonardo Fibonacci als „Fibonacci-Folge“ bezeichnet. Die Folgenglieder lassen sich dadurch berechnen, indem jeweils die Summe der beiden vorangehenden Folgenglieder gebildet wird. Das Bildungsgesetz der Folge lautet somit für :
Beschränkt man die Definitionsmenge auf die ersten natürlichen Zahlen , so erhält man eine endliche Folge mit dem Anfangsglied und dem Endglied .
Monotonie einer Zahlenfolge¶
Ein wichtiges Kriterium bei der Unterscheidung von Zahlenfolgen ist ihre so genannte Monotonie. Werden die Werte der Folgenglieder mit zunehmendem Index kontinuierlich (wenn möglicherweise auch in unterschiedlichem Maß) größer, so nennt man die Folge monoton wachsend zunehmend. Nehmen die Werte der Folgenglieder im umgekehrten Fall kontinuierlich (möglicherweise unterschiedlich stark) ab, so spricht man von einer monoton fallenden Folge. Bei einer konstanten Folge bleiben die Werte im Verlauf der Folge konstant.
Es gilt somit für jede Folge :
Gilt bei der obigen Unterscheidung anstelle der Kleiner-Gleich-Relation die Kleiner-Relation beziehungsweise anstelle der Größer-Gleich-Relation die Größer-Relation , so nennt man die Folge streng monoton ab- beziehungsweise zunehmend.
Beschränktheit einer Zahlenfolge¶
Eine Folge wird beschränkt genannt, wenn es zwei reelle Zahlen und gibt, so dass die Werte aller Folgenglieder zwischen beiden begrenzenden Zahlen liegen, wenn also gilt:
Hierbei wird als untere Schranke und als obere Schranke bezeichnet.
Grenzwert einer Zahlenfolge¶
Eine Folge hat einen Grenzwert , wenn sich außerhalb einer beliebig großen Umgebung von nur endlich viele Glieder der Folge befinden. Man sagt in diesem Fall, dass der Grenzwert („Limes“) der Folge für gegen Unendlich gehende Werte von gleich ist; in mathematischer Kurzform schreibt man:
Besitzt eine Folge einen Grenzwert, so nennt man sie konvergent, andernfalls divergent.
Bezüglich des Grenzwerts einer Folge gilt:
- Der Grenzwert einer Folge ist stets eindeutig bestimmt; insbesondere ist kein zulässiger Grenzwert.
- Jede monotone und beschränkte Folge ist konvergent, besitzt also einen (eindeutigen) Grenzwert.
- Jede konvergente Folge ist beschränkt.
Beispiele:
Die Folge ist konvergent zum Grenzwert , also gilt:
Die Folge ist konvergent zum Grenzwert , also gilt:
Die Folge ist divergent, sie hat keinen Grenzwert.
Folgen, die den Wert Null als Grenzwert haben, nennt man Nullfolgen. Ihnen kommt eine besondere Bedeutung zu, denn allgemein gilt die Aussage, dass eine Folge den Grenzwert hat, wenn die Folge eine Nullfolge ist.
Dieses Konvergenzkriterium wurde von Augustin-Louis Cauchy in eine noch nützlichere Form gefasst, mittels derer sich die Konvergenz einer Folge auch dann nachweisen lässt, wenn der Grenzwert nicht schon von vornherein bekannt ist. Das so genannte „Cauchy-Kriterium“ besagt, dass jede Folge genau dann konvergiert, wenn sich zu jedem beliebig kleinen Wert eine Zahl finden lässt, so dass für alle Folgenglieder ab gilt, dass ist.
Wichtige Grenzwerte
Für die Mathematik haben unter anderem folgende Grenzwerte für gegen Unendlich eine besondere Bedeutung:
Die Zahl ist irrational und wird „Eulersche Zahl“ genannt; sie ist insbesondere für Exponentialfunktionen von besonderer Bedeutung.
Arithmetische Folgen¶
Eine Folge heißt arithmetisch, wenn die Differenz zweier aufeinander folgender Glieder stets konstant ist. Für eine arithmetische Folge gilt also:
Als Bildungsgesetz gilt:
(1)¶
Ist , so ist die Folge (streng) monoton steigend, bei ist die Folge (streng) monoton fallend. Gilt , so ist die Folge konstant.
Da die einzelnen Folgenglieder immer um den gleichen Betrag zu- beziehungsweise abnehmen, ist das mittlere dreier Folgenglieder stets gleich dem arithmetischen Mittel der beiden benachbarten Folgenglieder. Es gilt also:[1]
(2)¶
Wichtige arithmetische Folgen sind beispielsweise die natürlichen Zahlen , die geraden Zahlen , die ungeraden Zahlen , usw.
Will man zwischen zwei Werten und insgesamt weitere Zahlen als eine arithmetische Folge einfügen, so gilt dabei für alle Differenzen der einzelnen Folgenglieder:
Diese Formel kann beispielsweise hilfreich sein, um fehlende Werte in Wertetabellen (näherungsweise) zu ergänzen. Eine ähnliche Anwendung kann darin bestehen, Objekte (beispielsweise Holzbalken) in jeweils gleichem Abstand voneinander zwischen zwei festen Grenzen und einzufügen; dabei gibt an, in welchem Abstand die Mittelpunkte der Objekte jeweils eingefügt werden müssen.
Geometrische Folgen¶
Eine Folge heißt geometrisch, wenn der Quotient zweier aufeinander folgender Glieder stets konstant ist. Für eine jede geometrische Folge gilt also:
Als Bildungsgesetz gilt:
(3)¶
Ist , so ist die Folge (streng) monoton zunehmend, bei ist die Folge (streng) monoton abnehmend und konvergiert gegen Null. Gilt , so ist die Folge konstant, im Fall ist die Folge „alternierend“, die Werte der Folgenglieder sind also abwechselnd positiv und negativ.
Da die einzelnen Folgenglieder immer um den gleichen Faktor zu- beziehungsweise abnehmen, ist das mittlere dreier Folgenglieder stets gleich dem geometrischen Mittel der beiden benachbarten Folgenglieder. Es gilt also:[2]
(4)¶
Will man zwischen zwei Werten und insgesamt weitere Zahlen als eine geometrische Folge einfügen, so gilt dabei für alle Quotienten der einzelnen Folgenglieder:
Reihen und ihre Eigenschaften¶
Die Summe der Glieder einer Folge (oder eines Teils der Folgenglieder) wird als Reihe bezeichnet. Mathematisch wird die Summe der Glieder einer Folge durch das Summen-Symbol ausgedrückt:
(5)¶
Hierbei wird unterhalb des Summenzeichens die Untergrenze und oberhalb die Obergrenze des Index angegeben, wobei die Summengrenzen jeweils ganze Zahlen sind. Im obigen Fall werden alle Folgenglieder somit von bis aufsummiert.
Ist die untere Summationsgrenze gleich der oberen, so bedeutet dies, dass die Summe aus einer einzigen Zahl besteht:
Ist die untere Summationsgrenze größer als die obere Summationsgrenze, wird das Ergebnis der Summe als Null definiert. Weitere wichtige Rechenregeln für das Summenzeichen sind:
(6)¶
Die oberen beiden dieser Rechenregeln entsprechen einem Umsortieren der Summanden, das letzte einem Ausklammern des Faktors aus jedem Summanden. Diese Regel findet auch Anwendung, wenn man Folgenglieder mit konstantem Wert aufsummiert:
(7)¶
Nach der obigen Gleichung funktionieren auch digitale Zählmaschinen, die eine Reihe von (meist elektrischen) „Eins“-Signalen aufaddieren und den entsprechenden Wert anzeigen.
Zwei weitere Rechentricks werden im Umgang mit Reihen oftmals nutzvoll eingesetzt:
Eine Reihe lässt sich in zwei (oder mehrere) Teilsummen zerlegen. Werden in der ursprünglichen Reihe Folgenglieder von bis aufsummiert, so können in äquivalenter Weise zunächst nur die Folgenglieder bis zu einem zwischen beiden Grenzen liegenden Wert summiert werden, und anschließend die restlichen Folgenglieder von bis addiert werden.[3] Es gilt also:
(8)¶
Der Wert einer Reihe bleibt durch eine Indexverschiebung unverändert. Hierunter versteht man ein Verfahren folgender Art:
Wird der Index der Summationsgrenzen im allgemeinen Fall um angehoben, so muss der Index der Folgenglieder auf reduziert werden.[4] Es gilt somit:
(9)¶
Eine Verminderung der Summationsgrenze um bewirkt in entsprechender Weise eine Anhebung des Index der Folgenglieder auf :
(10)¶
Arithmetische Reihen¶
Addiert man alle Glieder einer arithmetischen Folge, also eine Folge von Zahlen, die sich untereinander stets um den gleichen Wert unterscheiden, so ergibt sich eine arithmetische Reihe. Für den Wert der wohl bekanntesten arithmetischen Reihe, bei der alle natürlichen Zahlen von bis addiert werden, hat Carl Friedrich Gauss bereits in jungem Alter die folgende Formel gefunden, die bisweilen auch „Kleiner Gauss“ genannt wird:[5][6]
(11)¶
Im allgemeinen Fall lässt sich der Wert einer arithmetischen Reihe folgendermaßen berechnen:[7]
(12)¶
Geometrische Reihen¶
Addiert man alle Glieder einer geometrischen Folge, also eine Folge von Zahlen, die sich untereinander stets um den gleichen Faktor unterscheiden, so ergibt sich eine geometrische Reihe. Der Wert einer endlichen geometrischen Reihe lässt sich folgendermaßen berechnen:[8]
(13)¶
Ob eine unendliche geometrische Reihe konvergiert, hängt vom Wert von ab. Ist , so divergiert die Reihe; ist hingegen , so konvergiert die Reihe, und es gilt:
Mittels geometrischen Reihen können beispielsweise Zinseszinsen berechnet werden.
Produktfolgen¶
Neben gewöhnlichen Reihen als Summenfolgen können auch Produktfolgen gebildet werden. In der Praxis sind jedoch meist nur so genannte Partialproduktfolgen von Bedeutung, deren Ergebnis das Produkt von Folgengliedern ist. Mathematisch wird ein solches Produkt der Glieder einer Folge durch das Produkt-Symbol ausgedrückt:
Hierbei wird unterhalb des Produktzeichens die Untergrenze und oberhalb die Obergrenze des Index angegeben, wobei die Produktgrenzen jeweils ganze Zahlen sind.
Für die insbesondere in der Kombinatorik häufig auftretende Partialproduktfolge der natürlichen Zahlen ist eine besondere Notation üblich:
Der Ausdruck wird dabei als „ Fakultät“ gelesen; für den Sonderfall ist dabei definiert.
Anmerkungen:
[1] | Bei einer arithmetischen Folge gilt: Setzt man in der obigen Gleichung die linke und die rechte Seite gleich und löst diese Gleichung nach auf, so erhält man die Rechenregel zur Berechnung des arithmetischen Mittels. Diese Formel kann auch in der Statistik verwendet werden, um das Arithmetische Mittel einer Messreihe zu bestimmen. |
[2] | Bei einer geometrischen Folge gilt: Setzt man in der obigen Gleichung die linke und die rechte Seite gleich und löst diese Gleichung nach auf, so erhält man die Rechenregel zur Berechnung des geometrischen Mittels. Diese Formel kann auch in der Statistik verwendet werden, um das Geometrische Mittel einer Messreihe zu bestimmen. |
[3] | Im umgekehrten Fall lässt sich eine Zerlegung in Teilsummen auch nutzen, um den Wert einer Reihe zu berechnen, deren Glieder von bis aufsummiert werden. Hierbei gilt stets: |
[4] | Diese Ersetzung ist vorzunehmen, bevor irgendeine weitere Auswertung erfolgt. Darauf ist insbesondere dann zu achten, wenn sich vor dem Index einer Reihe ein Minuszeichen befindet. Durch eine Verschiebung der Summationsgrenzen um wird beispielsweise zu . |
[5] | Die Gültigkeit von Gleichung (11) wurde bereits als Beispiel im Abschnitt Die vollständige Induktion gezeigt. |
[6] | Ähnliche Sonderfälle arithmetischer Reihen sind die Reihen der geraden und ungeraden Zahlen:
Nach der obigen Gleichung lässt sich somit jede Quadratzahl als arithmetische Reihe darstellen: |
[7] | Hierfür muss die Reihe zunächst aufgeteilt werden: In der ersten Teilreihe wird der konstante Wert aufsummiert; ihr Wert ist nach Gleichung (7) gleich . Bei der zweiten Teilreihe kann der konstante Faktor nach Gleichung (6) ausgeklammert werden. Somit gilt: Die zweite Teilreihe kann mittels einer Indexverschiebung gemäß Gleichung (10) umgeschrieben werden. Es gilt: Nach Gleichung (11) gilt für den Wert dieser Reihe Addiert man beide Teilreihen und berücksichtigt dabei den Faktor (zweite Gleichung dieser Anmerkung), so erhält man Gleichung (12). |
[8] | Die Formel (13) zur Berechnung einer geometrischen Reihe kann auf zweierlei Arten dargestellt werden, denn es gilt: Die erste Darstellung wird im Fall , die zweite im Fall genutzt. Um die Gültigkeit von Formel (13) zu demonstrieren, wird die Differenz von und betrachtet. Es gilt: Auf der linken Seite kann ausgeklammert werden, auf der rechten Seite heben sich alle Summanden bis auf und auf. Folglich gilt: Löst man diese Gleichung nach auf, so erhält man als Ergebnis , was nach der ersten Gleichung dieser Anmerkung mit Formel (13) übereinstimmt. |