Mit einem Anteil von 99,98% ist die Sonne der größte Energiespender unseres
Planeten. Ihre Strahlung ist Ursache für die meisten energetischen
Umwandlungsprozesse auf der Erde. Im Schnitt treffen
auf die der Sonne zugewandten Seite der
Atmosphäre auf. Bezogen auf die ganze Erdhalbkugel sind das etwa
. In einer Stunde strahlt die Sonne somit über 2,5 mal
soviel Energie ein, wie die gesamte Menschheit in einem Jahr verbraucht (Der
Welt-Primärenergieverbrauch betrug nach [BMWI2008] im Jahr 2006 etwa
).
Bezogen auf ein Jahr werden etwa von der
Erde aufgefangen. Im Vergleich dazu waren im Jahr 1995 nach [Wuerfel1995]
insgesamt nur
an “fossilen” (genauer:
kohlenwasserstoffhaltigen) Energieträgern bekannt.
Verteilung der Solarstrahlung über die Erdoberfläche
Der ultraviolette Anteil des Sonnenlichts wird durch die Ozonschicht großteils
absorbiert, der Rest der Strahlung durchdringt je nach Bewölkungsgrad die
Atmosphäre und verteilt sich über den Planeten. Da die Umlaufbahn der Erde um
die Sonne mit ca. wesentlich größer ist
als der Durchmesser der beiden Himmelskörper [1], verlaufen auf der Erde
einfallende Strahlen einfallende Strahlen nahezu parallel.
Die Kugelgestalt der Erde hat zur Folge, dass einfallende Strahlen unterschiedlich lange Wege durch die Atmosphäre zurücklegen müssen und auf unterschiedlich große Flächen treffen (vgl. Abbildung: Verteilung der Solarstrahlung). Somit kommt es zu unterschiedlicher Erwärmung der Atmosphäre und, da das Volumen von Gasen von der Temperatur abhängt, zu unterschiedlichem Luftdruck. Diese wiederum sind Ursache von Winden und Meeresströmungen, welche die räumlichen Temperaturdifferenzen auf der Erde teilweise ausgleichen.
Um eine letzte Vorstellung von der Dimension der Sonne zu bekommen: Licht benötigt für die Entfernung Sonne-Erde etwa acht Minuten, wobei es die Erde in einer Sekunde sechs mal umkreisen kann. Für weitere ca. 4,57 Milliarden Jahre wird der Erde die Sonne als gigantischer Energiespender erhalten bleiben.
Die auftreffende Strahlungsenergie über ein Jahr gemittelt ist am Äquator am größten zu höheren Breitenkreisen hin ab: An den Polen steht innerhalb eines Jahres nicht einmal die Hälfte der Energie zur Verfügung, welche die äquatorialen Breiten erhalten. (Siehe auch Abschnitt Statistische Analyse von Solardaten.)
Die größte Differenz stellt sich zwischen 40° und 60° nördlicher bzw. südlicher
Breite ein. Deutschland, mit seiner Breitenlage von 45° bis 55° Nord, liegt
genau in diesem Bereich. Hier entspricht die eingestrahlte Solarenergie mit etwa
je Quadratmeter und Jahr etwa dem
haushältlichen Elektrizitätsverbrauch eines Bundesbürgers ([BMWI2008],
[Hupf2005]).
Ohne die Schiefe der Ekliptik [2] und der Eigendrehung der Erde würde die am Äquator aufsteigende Luft in der Höhe nord- bzw. südwärts zu den Polen strömen und in Bodennähe relativ gleichmäßig zurückfließen. In der Realität verursachen jahreszeitliche Schwankungen und rotationsbedingte Scheinkräfte wie die Coriolis- und Zentrifugalkraft ein deutlich komplizierteres Muster (siehe Abbildung: Allgemeine Zirkulation). Diese grundsätzlichen Strömungstendenzen werden als ‘allgemeine Zirkulation’ bezeichnet.
Bodennahes Strömungsschema auf der Erde (vereinfacht). Quelle: [Klose2008]
Innertropische Konvergenzzone und Hadley-Zellen
Betrachtet man bodennahe Strömungsverhältnisse, so findet sich in den Tropen eine weitgehend zusammenhängende Tiefdruckrinne, in welcher die Passat-Winde zusammenströmen und in vertikale Luftbewegung übergehen. Da diese sogenannte Innertropische Konvergenzzone (ITC) von der solaren Einstrahlung abhängt, verlagert sie sich im Jahresverlauf: Im Nord-Sommer liegt sie nördlich, im Süd-Sommer südlich des Äquators. Aufgrund von ungleichen Land-Meer-Verteilungen auf den beiden Hemisphären liegt die ITC nach [Storch1999] im Mittel bei 5° nördlicher Breite.
Schematische Darstellung von Meridionalzirkulationen zwischen Pol und “Aquator. Mit ‘J’ sind der Polarfront- bzw. Subtropenfront-Jetstream eingezeichnet. Quelle: [Hupf2005]
Beiderseits der ITC schließen sich die sogenannten Hadley-Zellen an. In ihnen findet eine sehr stabile Zirkulation statt: In höheren Luftschichten wird polwärts strömende Luft aufgrund der Coriolis-Kraft ostwärts abgelenkt, in Bodennähe erfahren die als Passatwinde zurückströmenden Luftmassen nach dem gleichen Prinzip eine Westablenkung.
Aufgrund der polwärtigen Flächenkonvergenz der Erde werden vom Äquator wegströmende Luftmassen zunehmend verdichtet und in etwa bei 30° N bzw. 30° S zum Absinken gezwungen. In Bodennähe bilden sich dadurch die sogenannten ‘Suptropischen Hochdruckgürtel’ aus.
Ferrel-Zellen (Westwinddrift)
In den mittleren Breiten nimmt die Coriolis-Kraft stark zu (siehe Abschnitt
Erdrotation). Dadurch werden die resultierenden
Bewegungsablenkungen von polwärts strömender Luft nach Osten hin deutlich
größer. Speziell im oberen Teil der Troposphäre treten mit großer Häufigkeit (im
Norden) zwischen 30° und 40° Breite bzw. zwischen 50° und 75° Breite sogenannte
Subtropen- bzw. Polarfront-Strahlströme (Jetstreams) auf: Tausende Kilometer
lange, starke Westwinde, welche nahezu parallel zu den Linien gleichen Drucks
verlaufen. In ihnen sind Windgeschwindigkeiten zwischen üblich, es werden sogar Geschwindigkeiten bis zu
gemessen ([Malberg2007]).
Abhängigkeit der Coriolis-Kraft von der geographischen Breite bei meridionaler Bewegung. Die angegebenen (Bahn-)Geschwindigkeiten entsprechen der Drehgeschwindigkeit der Erde. Quelle: [Hupf2005]
Diese sogenannten Ferrel-Zellen, häufig auch als Westwindzone oder Westwinddrift bezeichnet, werden durch die Kombination von starken Westwinden und großräumigen Temperaturschwankungen zwischen warmer Tropenluft und kalter Polarluft leicht instabil. An den “Polarfronten” kommt es zu unregelmäßigen Wirbelbildungen, und damit zur Entstehung von Tiefdruckgebieten (Zyklonen). Sie sorgen für eine effektive Durchmischung der unterschiedlich temperierten Luft.
Die Polarzelle: Polare Ostwinde
Die Polarfronten sind zwar kein geschlossenes Band um eine Halbkugel, stellen
aber die Grenze zu den Polarzellen dar. Ihre vertikale Mächtigkeit beträgt etwa
, bei einer mittleren Neigung von 1:100 ([Klose2008]).
Auch sie unterliegen einem ständigen Mäandrieren und jahreszeitlichen
Schwankungen.
Die Polarzellen stellen stabile, wenn auch schwach ausgebildete Strukturen dar. Äquatorwärts strömende Luft, welche die Polarkreise (66,5° N/S) erreichen, wird soweit erwärmt, dass sie aufsteigt. In der Höhe steht dem eine entsprechende Gegenströmung mit Absinken in der polaren Region gegenüber.
Im Regionalklima wird das übergeordnete, großräumige Klimasystem durch regionale Besonderheiten beeinflusst. So spielt beispielsweise die Land-Meer-Verteilung eine wichtige Rolle, denn Ozeane reagieren aufgrund ihrer großen Wärmespeichervermögen wesentlich langsamer als das Festland auf thermische Veränderungen. Somit tragen sie v.a. in küstennahen Regionen sehr zur Stabilisierung des regionalen Klimas bei.
Die Nordhalbkugel ist zu 61%, die Südhalbkugel zu 81% von Wasser bedeckt ([Storch1999]). Auf der Nordhemisphäre kommt es daher zu stärkeren Abweichungen von dem allgemeinen Zirkulationsmuster als auf der Südhemisphäre.
Orographische Einflüsse, d.h. unterschiedliche Höhenstrukturen, führen zu lokalen Windzirkulationen sowie zu Luv- und Lee-Effekten. Bei der Überströmung von Gebirgen entwickeln sich (Schwere-)Wellen, gleichzeitig werden Strömungen abgelenkt. Speziell beim Schlingern (‘Mäandrieren’) der Westwindzone spielen diese Einflüsse eine bedeutende Rolle ([Klose2008]).
In jüngerer Zeit wird vermehrt auch untersucht, inwieweit der Mensch durch seine Aktivitäten das Klima beeinflusst, sei es durch Verdichtung von Städten, Abholzung von Wäldern, Ausstoß von Treibhausgasen, etc. Eine Diskussion dieser Effekte würde hier allerdings zu weit führen.
Im Wesentlichen spielen fünf Kenngrößen für die Beschreibung von großräumigen Luftströmungen eine zentrale Rolle: Die Windgeschwindigkeit, der Luftdruck, die Lufttemperatur, sowie die Luftdichte und ihr Wassergehalt.
Die Gleichungen, welche die genannten Kenngrößen miteinander in Relation bringen, werden meteorologische Grundgleichungen genannt.
Bezogen auf eine Volumeneinheit lauten sie wie folgt:
Ideale Gasgleichung:
(1)
Gleichung (1) stellt eine Vereinfachung der
Van-der-Waals-Gleichung dar. [3] Sie beschreibt den linearen Zusammenhang zwischen
Druck , Dichte
und Temperatur
.
steht
für die ideale Gaskonstante. Für eine trockene atmosphärische Zusammensetzung
liefert Gleichung (1) gute Ergebnisse bei geringem
Rechenaufwand. Wasserdampf wird gesondert behandelt.
Kontinuitätsgleichung:
(2)
Gleichung (2) impliziert die Massenerhaltung. Der Nettofluss
(Divergenz durch ein Volumenelement) muss
gleich der zeitlichen Dichteänderung sein.
Wasserdampf-Bilanzgleichung:
(3)
Gleichung (3) liefert die Kontinuitätsgleichung für den Wasserdampf. Sie unterscheidet sich von Gleichung (2) insofern, dass es zu Feuchteänderungen durch Phasenübergänge (Niederschlag, Verdunstung) kommen kann. [4]
Erster Hauptsatz der Thermodynamik:
(4)
Gleichung (4) beschreibt den Energieerhaltungssatz der
Thermodynamik: Bei konstantem Volumen resultieren Temperaturänderungen
entweder aus Druckänderungen oder aus einem Wärmestrom
(Wärmezufuhr bzw. -abfluss).
steht für die spezifische
Wärmekapazität eines Gases bei konstantem Druck.
Navier-Stokes-Gleichung: [5]
Gleichung (5) entspricht dem 2. Newtonschen Axiom bezogen auf ein festes
Volumen: Die Änderung des Geschwindigkeitsvektors
,
multipliziert mit seiner Dichte, ist gleich der Summe der resultierenden
Kräfte (Druckgradient, Schwerebeschleunigung, sowie Einfluss von
Coriolis-Kraft und Reibung).
Auf die einzelnen Komponenten dieser zentralen Gleichung wird im folgenden Abschnitt ausführlicher eingegangen.
Den einzelnen Gleichungen kommen in der Praxis verschiedene Aufgaben zu. Die Navier-Stokes-Gleichung soll Auskunft über die zeitliche Entwicklung von horizontalen wie vertikalen Luftströmungen ergeben. Dazu sind Kenntnisse der Anfangs- und Randbedingungen nötig, die sich aus Modellannahmen, der Diagnose-Gleichung (1) und den übrigen Prognose-Gleichungen (2) bis (4) ergeben ([Kunz2006]).
Zunächst soll die die Atmosphäre als ein ideales Fluid ohne Reibung
() betrachtet werden. Somit vereinfacht sich
(5) zur sogenannten Eulerschen Gleichung:
(6)
Gleichung (6) wird verständlicher, wenn man sich einige Spezialfälle ansieht.
Hydrostatische Grundgleichung und barometrische Höhenformel
Im einfachen Fall einer ruhenden und stabilen Atmosphäre verschwinden
Windturbulenzen und die Coriolis-Kraft. Somit heben sich in Gleichung
(6) die Druckkraft und die
Schwerkraft
gegenseitig
auf:
Mit und
lässt sich dabei die vertikale Komponente darstellen als}
(7)
Gleichung (7) wird als hydrostatische Grundgleichung bezeichnet:
Der Luftdruck nimmt, da die Schwerebeschleunigung in
negative
-Richtung (zum Erdinneren) zeigt, mit zunehmender Höhe ab.
Setzt man in (7) für die Dichte die ideale
Gasgleichung (1) ein, kann man die hydrostatische Grundgleichung
auch wie folgt schreiben:
Die Integration über ergibt:
(8)
Gleichung (8) heißt barometrische Höhenformel: Druck nimmt mit der
Höhe, ausgehend von einem Grundniveau, exponentiell ab. Somit lässt sich
beispielsweise berechnen, dass die Höhe, bei welcher der Luftdruck nur noch halb
so groß wie in der Ausgangslage ist, bei etwa liegt
([Klose2008]).
Die Erdrotation: Zentrifugal- und Coriolis-Kraft
Da es sich bei der Erde um ein rotierendes Bezugsystem handelt, das zweite Newtonsche Axiom jedoch nur für Inertialsysteme gilt, treten in der Eulerschen Gleichung entsprechende Zusatzterme auf.
Wie auch allgemein für beliebige (Vektor-)Größen gültig lässt sich die Änderung
eines festen Punktes auf der mit einer Winkelgeschwindigkeit von
rotierenden Erdoberfläche in folgender Form schreiben:
Bewegt sich ein Teilchen auf der Erde, so summiert sich aus Sicht eines ruhenden Beobachters die ‘Führungsgeschwindigkeit’ mit der Relativbewegung:
Für einen Beobachter auf der Erde erfährt die Bewegung dementsprechend eine scheinbare Ablenkung:
(9)
Analog erhält man nach längerer Rechnung (siehe Abschnitt Scheinkräfte auf der Erde) für die Änderung der relativen Bewegung:
(10)
Multipliziert man diese Gleichung mit , so wird auf der rechten
Seite der Einfluss der beiden Scheinkräfte, der Coriolis-Kraft
und der Zentrifugalkraft
deutlich.
Zentrifugalbeschleunigung und Erdrotation nach [Etling2008].
Die Zentrifugalkraft zeigt, wie in Abbildung: Zentrifugalbeschleunigung dargestellt, senkrecht von der Erdachse weg.
Ihr Betrag ist mit am Äquator am größten [6]
und verschwindet an den Polen. Da die Zentrifugalkraft genauso wie die
Gravitationskraft nur von der Position, jedoch nicht von der
Relativgeschwindigkeit der Strömung abhängt, lassen sich beide Kräfte
und
volumenbezogen zu einer
effektiven Schwerkraft
zusammenfassen ([Pichler1986]):
(11)
Die Zentrifugalbeschleunigung ist im Vergleich zur Gravitationsbeschleunigung gering [7], hatte allerdings erdgeschichtlich eine Abflachung des Planeten zur Folge ([Pichler1986]). Für die meisten atmosphärischen Betrachtungen genügt es jedoch die Schwerkraft näherungsweise gleich der Gravitationskraft zu setzen:
Auch die Coriolis-Kraft besitzt einen Einfluss auf
vertikale Luftbewegungen. Bei reinen Aufwärtsbewegungen wirkt sie nach Westen,
bei senkrechtem freien Fall nach Osten. Betrachtet man
als Bewegung nach Osten,
als Bewegung nach Norden und
als Aufwärtsbewegung, so ergibt sich in Abhängigkeit
vom Breitengrad
mit dem Rotationsvektor der Erde
für
die einzelnen Komponenten der Coriolis-Kraft:
(12)
Der Coriolis-Effekt ist am Äquator () gleich null und wird an
den Polen mit
maximal. Das liegt
daran, dass ein Teilchen ohne Reibung seine anfängliche Bahngeschwindigkeit bis
an den Zielort beibehält, gleichzeitig allerdings die Drehgeschwindigkeit der
Erde, wie in Abbildung: Coriolis-Kraft dargestellt,
infolge des geringer werdenden Radius abnimmt.
Bei rein horizontaler Luftbewegung sind auch nur die entsprechenden Komponenten der Coriolis-Kraft
von Interesse. Sie lassen sich elegant schreiben als
(13)
Dabei wird als Coriolis-Parameter bezeichnet.
Geostrophischer und thermischer Wind
Betrachtet man nur konstante, horizontal verlaufende Luftströmungen, so vereinfachen sich die horizontalen Komponenten der Euler-Gleichung (6) zu:
(14)
Dabei wurde wieder näherungsweise gesetzt.
Somit hat die Schwerkraft nur Auswirkung auf die vertikale Bewegung und taucht
in den horizontalen Bewegungskomponenten nicht auf. Mit Hilfe des
Coriolis-Parameters
ist
die in Gleichung (14) genutzte, einfachere Schreibweise der
Coriolis-Kraft möglich.
Beschleunigt ein Luftteilchen aus der Ruhe zunächst vom höheren zum tieferen
Luftdruck, d.h. senkrecht zu den Isobaren, so tritt entsprechend der
Strömungsgeschwindigkeit die Wirkung der
Coriolis-Kraft ein. Ursprünglich polwärts strömende Luft wird dabei nach rechts,
äquatorwärts strömende Luft nach links abgelenkt.
Wirkung von Druck- und Coriolis-Kraft auf ein anfänglich ruhendes Luftteilchen, nach [Etling2008]
Im Laufe der Zeit stellt sich ein Gleichgewicht zwischen Druckkraft und
Coriolis-Kraft ein. Die entlang paralleler Isobaren dann beschleunigungsfreie
Luftströmung wird geostrophischer Wind genannt ([Malberg2007]). Für die
Gleichgewichts-Situation () gilt
damit:
Ein geostrophischer Wind wird als ‘thermisch’ bezeichnet, wenn, wie meistens in der Realität, ein horizontales Temperaturgefälle die Ursache seiner Entstehung ist. Die Besonderheit des thermischen Windes liegt darin, dass sein Betrag mit der Höhe anwächst [Roedel2000]. Während am Boden überall ein relativ gleichmäßiger Luftdruck herrscht, nimmt der Druck in kalten Regionen schneller mit der Höhe ab als in warmen. An den Zonengrenzen stellt sich somit ein horizontales Druckgefälle ein, welches mit der Höhe zunimmt. In Abbildung: Aufbau der atmosphärischen Grenzschicht ist die Verschiebung der Niveaus gleicher Temperatur (Isothermen) gegen die Niveaus gleichen Drucks (Isobaren) graphisch dargestellt.
Zur Entstehung von Strahlströmen entlang einer Frontalzone. Die durchgezogenen Linien stellen isobare, die gestrichelten Linien isotherme Luftniveaus dar. Quelle: [Roedel2000]
Nach längerer Rechnung ([Roedel2000]) lässt sich aus den vorherigen
Gleichungen die Abhängigkeit des thermisch bedingten geostrophischen Windes von
der Höhe und dem horizontalen Temperaturgradienten berechnen. Verläuft
beispielsweise der geostrophische Wind in - und die barokline
Schichtung in
-Richtung, so folgt für die Zunahme der
Windgeschwindigkeit mit der Höhe:
(15)
steht für die über die Höhe
gemittelte Temperatur.
Die im Abschnitt Ferrel-Zellen erwähnten Strahlströme in
mehr als Höhe stellen markante Beispiele für
geostrophische Windströmungen dar ([Malberg2007]). In Abbildung:
Grenzschicht (Frontalzone) würden sie im oberen
Bereich der Frontalzone senkrecht zur Papierebene verlaufen. (Vergleiche auch
Abbildung: Meridionale Zirkulation.)
Die Strömungsrichtung der geostrophischen bzw. thermischen Winde parallel zu den Isobaren hat zur Folge, dass bestehende Druckunterschiede erhalten blieben. Erst zusätzliche Effekte, wie beispielsweise Reibung, bewirken eine Verschiebung des Gleichgewichts hin zu niedrigeren Druckflächen ([Simmer2003]).
Infolge molekularer Kräfte besitzt jedes reale Fluid eine gewisse Viskosität
(Zähigkeit). Der Einfluss dieser Kräfte wird in der Navier-Stokes-Gleichung
(5) durch die Divergenz des Reibungstensors [8] beschrieben ([Pichler1986]):
(16)
steht dabei für den Deformationstensor,
für den
dynamischen Viskositätskoeffizienten. Mit
als
Volumen-Viskositätskoeffizient berücksichtigt
als Volumenviskosität die mögliche Energiedissipation
durch Kompression oder Expansion in kompressiblen Fluiden.
Die Volumenviskosität ist einerseits direkt nur sehr schwer zu messen, andererseits verschwindet sie völlig in Gasen sehr geringer Dichte. Somit wird in der Praxis meist der Stokesche Ansatz genutzt, welcher von einem Verschwinden der Volumenenviskosität in Newtonschen Fluiden (s.u.) ausgeht ([Pichler1986]). Gase können oftmals tatsächlich in sehr guter Näherung als inkompressibel beschrieben werden ([Kuchling2004]). Damit verschwindet in Gleichung (16) die Divergenz, und der Reibungstensor vereinfacht sich zu:
(17)
Als Newtonsche Fluide werden Flüssigkeiten oder Gase bezeichnet, in
denen die Schubspannungen proportional zu der
jeweiligen Scherungsgeschwindigkeit sind. Für sie gilt:
(18)
Die angenommene Erhaltung des Volumens (Divergenzfreiheit) hat zur Folge,
dass die Spur des Deformationstensors verschwindet:
(19)
Weiterhin wird von isotropen Fluiden ausgegangen, d.h. eine Drehung des
Gesamtvolumens kann unberücksichtigt bleiben. Daraus resultiert die
Symmetriebedingung , und es bleiben
fünf Freiheitsgrade für den Rotationstensor übrig.
Wie bei der Druckkraft kann damit die Reibungskraft
je Volumeneinheit über die Divergenz des
Reibungstensors beschrieben werden ([Pichler1986]):
(20)
Das Hinzufügen dieses nichtlinearen Reibungsterms zu der Euler-Gleichung (6) macht die Navier-Stokes-Gleichung (5) zu einer großen mathematischen Herausforderung. Noch heute ist nicht geklärt, ob sie überhaupt analytisch lösbar ist.
Aufbau der atmosphärischen Grenzschicht. Quelle: [Etling2008]
In der Realität ist vor allem die vertikale Veränderung der Reibung von Bedeutung. Unmittelbar oberhalb des Erdbodens findet in den ersten Millimetern aufgrund starker molekularer Wechselwirkungen nur laminare Strömung statt - die Luft ‘haftet’ förmlich am Boden.
In der darüberliegenden Prandtl-Schicht [9] , die witterungsabhängig bis in eine Höhe von 20 bis 100 Meter reicht, nimmt der Betrag der Reibung ab, überwiegt allerdings noch den Einfluss der Coriolis-Kraft ([Etling2008]). Somit ändert sich mit zunehmender Höhe der Betrag, nicht aber die Richtung der Windgeschwindigkeit.
Schließlich verliert in der Ekman-Schicht, die sich bis in Höhen von einem bis zwei Kilometern erstreckt, die Reibung immer mehr an Bedeutung, bis der Windvektor sich an den geostrophischen Wind der Atmosphäre anpasst.
Die Höhe der Prandtl-Schicht ergibt sich daraus, dass in ihr turbulenzbedingte Flüsse höhenkonstant sein sollen. Dies ist bis in Höhen von etwa 20 bis 50 Metern der Fall ([Etling2008]). Die Abnahme der turbulenten Schubspannung wird aber auch durch Messungen in bis zu 100 Metern gefunden. Unter adiabatischen Verhältnissen stellt sich ein vertikales Profil logarithmisch anwachsender Geschwindigkeit ein:
(21)
Hierbei ist die sogenannte Schubspannungsgeschwindigkeit
[10], und
die von-Karman-Konstante. Die Rauhigkeitshöhe
gibt diejenige Höhe an, unterhalb welcher der Wind über einer
spezifischen Oberfläche (theoretisch) auf null abgebremst wird. Um
großflächigere, inhomogene Flächen zu beschreiben, werden verschiedene
Landschaftstypen in Rauhigkeitsklassen eingeteilt. Die effektive Rauhigkeitshühe
beträgt so für eine freie Meeresoberfläche
, für kleine
Siedlungen
, für Großstädte mit Hochhäusern
, und für Europa als Ganzes ca.
([Klose2008]).
Für neutrale Schichtungen lässt sich somit bei Kenntnis der Windgeschwindigkeit in einem Ausgangsniveau auf Windgeschwindigkeiten in anderen Höhen schließen. Für thermisch labile oder stabile Schichtungen kommt zusätzlich ein linearer Anteil hinzu:
(22)
Ein gebräuchlicher Wert für die Konstante ist
, die Größe
ist für die Prandtl-Schicht charakteristisch und
wird Monin-Obukhov-Länge genannt ([Klose2008]). Wie in Abbildung:
Schichtungsprofil zu sehen, nimmt die
Windgeschwindigkeit bei labiler Schichtung (
) gegenüber dem neutralen
Fall mit der Höhe langsamer, bei stabiler Schichtung (
) schneller zu.
Log-Linear-Profil der Windgeschwindigkeit für labile, neutrale und stabile thermische Schichtungen. Quelle: [Etling2008]
Um die Art und Intensität von Verwirbelungen in der Atmosphäre zu beschreiben, wird gerne die sogenannte Vorticitygleichung verwendet. [11]
Im folgenden werden horizontale Wirbel, deren Achse also in -Richtung
zeigt, näher betrachtet.
Die Wirbelstärke (Zirkulation je Fläche) horizontaler Strömung ist wie folgt definiert ([Pichler1986]):
(23)
Das Vorzeichen der Vorticity folgt der Rechtsschraubenregel: Bei einer Drehung
im Uhrzeigersinn weist in negative
-Richtung (somit ist
negativ), bei einer Zirkulation gegen den Uhrzeigersinn ist
positiv. Vorticity, d.h. Zirkulation pro Fläche, tritt auf bei:
Für eine starre Rotation um den Radius gilt
beispielsweise
. Mit dem Satz von
Stokes [12] lässt sich daraus die Zirkulation
und somit berechnen ([Roedel2000]). Die
Vorticity einer reinen Rotation ist somit gleich dem Doppelten der
Winkelgeschwindigkeit.
Zur Herleitung einer Gleichung für die Wirbelstärke wird von der
Navier-Stokes-Gleichung (?) ausgegangen. Für den Reibungsterm wird
Gleichung (20) und für die Coriolis-Kraft Gleichung
(13) eingesetzt. Zusätzlich wird die individuelle zeitliche
Ableitung mittels der
“Eulerschen Zerlegung” in eine lokale Änderung
und einen Advektionsterm
aufgespalten. (Siehe Die Eulersche Zerlegung)
Wendet man entsprechend die Rotation auf die obige Form der Navier-Stokes-Gleichung an, so erhält man nach längerer Rechnung (siehe Herleitung der Vorticity-Gleichung)
(25)
Die Erdrotation (“planetare Vorticity”) und die
Wirbelstärke
(“relative Vorticity”) können zu einer “absoluten
Vorticity”
zusammengefasst werden
([Etling2008]). Damit ergibt sich aufgrund der zeitlichen Konstanz der
Erddrehung
eine
übersichtlichere Form von Gleichung (25):
(26)
Term (1) wird als Dreh- oder Twistingterm bezeichnet. Er beschreibt, wie horizontale Vorticity beispielsweise durch Aufwinde in die Vertikale gekippt werden können. Insbesondere an Frontalzonen kommt es so zu einer effektiven Durchmischung warmer und kalter Luftmengen, woraus Instabilitäten entstehen. Diese wiederum begünstigen die Bildung von Zyklonen. Die aus der Höhe absinkende Warmluft führt am Boden zu einem Auseinanderströmen (Divergenz, Term (2)) der Luftmassen, welches nur durch die Reibung (Term (3)) begrenzt wird.
Thermische Zirkulation am Übergang einer Warm-Kalt-Front. Quelle: [Roedel2000]
Zusätzlich muss beachtet werden, dass aufgrund der Kontinuitätsgleichung
(2) Divergenzen nur möglich sind, wenn dabei zeitliche
Dichteänderungen auftreten. Teilt man Gleichung (24) durch die
Dichte und wendet die Rotation unter Berücksichtigung von an, so tritt zusätzlich folgender, als Solenoidterm
([Etling2008]) bezeichneter, Vektor auf:
(27)
Gleichung (27) stellt abgesehen von Reibung die einzige Quelle für die Erzeugung bzw. Vernichtung von Vorticity dar. In einer barotropen Atmosphäre hingegen verschwindet mit der konstanten Dichte die Divergenz. Unter Vernachlässigung der Reibung stellt in diesem Fall die absolute Vorticity eine Erhaltungsgröße dar:
(28)
In Abschnitt: Planetarische Wellen wird sich zeigen, inwieweit die Erhaltung der (absoluten) Vorticity Einfluss auf Wellenbewegungen in der Atmosphäre hat.
Um die Bedeutung der einzelnen Terme in den atmosphärischen Bewegungsgleichungen quantitativ abschätzen zu können, ist eine Skalen- oder Dimensionsanalyse hilfreich. Hierbei werden die einzelnen Glieder eines Gleichungssystems in Relation zu charakteristischen Vergleichsgrößen gestellt ([Pichler1986]).
Damit ergeben sich je nach Skalenbereich mehr oder weniger dominante, dimensionslose Magnituden:
(29)
Charakteristische Größen werden als Großbuchstaben, Magnituden mit einem Dach gekennzeichnet. Analog zu (29) lassen sich auch entsprechende Masstäbe für räumliche Ausdehnung, Druck, Dichte, Zeit, usw. definieren. Der Nabla-Operator kann ebenfalls dimensionslos gemacht werden ([Pichler1986]):
(30)
Wird die Navier-Stokes-Gleichung komponentenweise aufgeschrieben, lassen sich beispielsweise großräumige (synoptische) Bewegungen von Tiefdruckgebieten auf dominierende Terme untersuchen.
Typ | ![]() |
![]() |
![]() |
Zeitraum |
---|---|---|---|---|
Kleinräumige Turbulenz | ![]() |
![]() |
![]() |
(Minuten) |
Wolkencluster, Land-See-Wind | ![]() |
![]() |
![]() |
(Stunden) |
Wirbelstürme, Fronten | ![]() |
![]() |
![]() |
(ca. 1 Tag) |
Tief- und Hochdruckgebiete | ![]() |
![]() |
![]() |
(Tage) |
Zonalströmung | ![]() |
![]() |
![]() |
(Wochen) |
Mit charakteristischen Größen aus Tabelle: Skalen, üblichen
Werten für Luftdichte ,
Bodenluftdruck
und dem
Coriolis-Parameter
ergibt sich unter Vernachlässigung der Reibung für vertikale Luftbewegung:
(31)
Der Einfluss der Coriolis-Kraft ist ebenso wie die Änderung der Vertikalgeschwindigkeit um einige Zehnerpotenzen geringer als Schwerebeschleunigung und Druckgradient, und kann daher vernachlässigt werden. Somit ergibt als Näherung die bereits bekannte statische Grundgleichung (7):
Für die horizontalen Bewegungskomponenten erhält man analog:
(32)
Unter Vernachlässigung kleinerer Terme gleichen sich Coriolis-Kraft und Druckkraft gegenseitig aus. Das Resultat ist eine geostrophische Windbewegung gemäß Gleichung (14):
In der Atmosphäre treten bei der Vielzahl an möglichen Strömungsmustern auch
periodische Schwingungen und Kreisbewegungen auf [Etling2008]. Wirken
beispielsweise außer der Coriolis-Kraft keine weiteren Kräfte, so lautet die
Euler-Gleichung (6) für die - bzw.
-Komponente:
(33)
Beide Gleichungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:
(34)
Obige Gleichungen haben die Form einer Wellengleichung. Wählt man als Ansatz für
den harmonischen Oszillator bzw.
und nimmt die Coriolis-Kraft als näherungsweise konstant an, so ergibt sich
als Lösung ein betraglich konstanter Windvektor, der sich im Uhrzeigersinn mit
der Kreisfrequenz
dreht. [13]
Der Radius dieser sogenannten Trägheitskreise lässt sich berechnen,
wenn man die resultierende Kraft
in Gleichung (33) mit Hilfe der
Skalenanalyse abschätzt ([Roedel2000]).
(35)
Somit nimmt der Radius der Träheitskreise
mit zunehmendem Breitenkreis ab. Die Umlaufdauer
beträgt in
Breiten um die 50° Nord bzw. Süd etwa 19 Stunden. Der zugehörige Trägheitsradius
beträgt dabei etwa
.
Teilchenbahn aufgrund des -Effekts. Im Bereich A ist
, und somit
. Somit wird die Bahn antizyklonal und
nimmt ab, bis sich im Bereich B eine umgekehrte Strömung einstellt. Analog
wird die Bahn bei äquatorwärtiger Luftbewegung wieder zyklonaler, bis sich
im Bereich C wieder die ursprüngliche Strömungsrichtung einstellt. Quelle:
[Etling2008])
Geht man von einer barotropen Atmosphäre, d.h. konstanter Luftdichte aus, und vernachlässigt den Einfluss der Reibung, so stellt die absolute Vorticity, wie in Abschnitt: Die Vorticity gezeigt, eine Erhaltungsgröße dar. Dies hat zur Folge, dass bei einer polwärtigen meridionalen Strömung die relative Vorticity abnimmt, gleichzeitig allerdings die planetare Vorticity anwächst [Boljahn2009]. Im umgekehrten Fall einer äquatorwärtigen Bewegung erhält die Strömung durch die zunehmende relative Vorticity eine zyklonale Krümmung. Wird also eine geostrophische Windströmung aufgrund einer Störung (z.B. Gebirge oder unregelmäßige Verläufe zwischen Hoch- und Tiefdruckgebieten) abgelenkt, so setzt die breitenkreisabhängige absolute Vorticity als rücktreibende Kraft ein und hält die ursprüngliche Strömung aufrecht (vgl. Abbildung: Beta-Effekt).
Dieser Einfluss wird als -Effekt bezeichnet und lässt sich wie
folgt beschreiben ([Etling2008]):
(36)
Als Resultat ergibt sich für die Nordhalbkugel eine vom mittleren zonalen
Grundstrom sowie dem Breitenkreis abhängige sogenannte Rossby-Welle. Als
Dispersionsrelation ergibt sich nach [Boljahn2009] für die
Phasengeschwindigkeit der Rossby-Welle:
(37)
Hierbei steht für die Wellenlänge der Rossby-Welle. Bei einer Breite
von etwa 60° Nord liegt
nach [Roedel2000] in etwa bei 7000 km. [14]
Je kleiner die Wellenlänge ist, desto höher ist gemäß Gleichung (37)
ihre Phasengeschwindigkeit. Da allerdings sowohl
als
auch
positiv sind, breitet sich die Welle stets
langsamer als der Grundstrom aus. Bei besonders langen Wellen sind sogar
negative Phasengeschwindigkeiten möglich.
In baroklinen Atmosphären gelten die für die Herleitung der Rossbywellen gemachten Annahmen nicht mehr. Kommt es dadurch zu Auslenkungensamplituden, welche größer als die Wellenlänge sind, so werden die planetaren Wellen schnell instabil, und es kommt zur Bildung von Zyklonen ([Boljahn2009]). Diese dauern gemäß Tabelle: Skalen ein bis drei Tage an und haben nach [Hupf2005] häufig Niederschläge sowie stärkere Windgeschwindigkeiten in der unteren Atmosphäre zur Folge.
Bis auf das ideale Gasgesetz (1) als reiner Diagnosegleichung sind alle meteorologischen Grundgleichungen partielle Differentialgleichungen der Zeit. Somit ist es grundsätzlich möglich bei bekannten Anfangsbedingungen mittels Integration auf künftige Zustände zu schließen. Hierauf beruht das Prinzip der numerischen Wettervorhersage ([Kunz2006]).
Aufgrund der weitreichenden Skalenbereiche werden hierbei verschiedene Größenordnungen meist getrennt betrachtet. Beispielsweise kann die Bildung einer Gewitterzelle an sich modellhaft beschrieben werden, sie wird bei der Berechnung von großräumigen Wetterlagen allerdings nur parametrisiert ([Balzer1998]).
Eine der Hauptschwierigkeiten in der Praxis der Wettervorhersage besteht darin, den Ausgangszustand der wichtigsten meteorologischen Größen hinreichend genau örtlich wie zeitlich zu bestimmen. Ein noch so gutes Prognosemodell liefert falsche Ergebnisse, wenn der Anfangszustand nicht gut genug beschrieben ist.
Das weltumspannende Messsystem für meteorologische Größen [15] umfasst zur Datenerfassung eine breite Palette an Datenlieferanten: Bereits zur Jahrtausendwende waren neben geostationären und polumlaufenden Satelliten etwa 700 Radarstationen, zahlreiche Driftbojen und Radiosonden, mehr als 4000 entsprechend ausgestattete Flugzeuge und Schiffe sowie über 10.000 Bodenmessstationen im Einsatz ([Balzer1998]). Jedes System hat Vor- und Nachteile: Dabei spielt neben Kosten, Messgenauigkeit und technischer Zuverlässigkeit auch eine Rolle, ob ein Messsystem punktuelle oder großflächige Messungen liefert und ob sie kontinuierlich oder in bestimmten Zeitabständen erfolgen.
Die Sammlung und Aufarbeitung aller dieser Messwerte wird als Datenassimilation bezeichnet. Ihr kommen mehrere Aufgaben zu:
Beispielsweise können eigentliche Strömungstendenzen der Luft von Böigkeiten oder Schwerewellen überlagert sein (meteorologisches “Rauschen”). Andererseits müssen die realen Aufenthaltsorte von Flugzeugen oder Driftbojen nicht unbedingt mit den theoretisch erwarteten Positionen übereinstimmen. Schließlich besitzen unterschiedliche Messtechniken verschiedene Genauigkeiten, und jederzeit können Messgeräte ausfallen.
Inzwischen erfolgt die Datenassimilation nahezu völlig automatisch. Immer mehr Daten werden dabei nahezu kontinuierlich mit ihrem Eintreten verarbeitet, nicht mehr in diskreten, beispielsweise stündlichen, Zeitschritten. Nach ([Balzer1998]) werden am Europäischen Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage (EZMWF) [16] 37% der Computerzeit für das Assimilationssystem verwendet, während für die eigentliche 10-Tages-Prognose 9% ausreichen.
Die einfachste Art der Atmosphärenmodellierung durch sogenannte Energiebilanzmodelle (EBM) bietet eine erste Vorstellung der meteorologischen Praxis. Die Erde wird dabei als ganzes betrachtet oder in nur wenige Boxen unterteilt ([Storch1999]). Ziel ist es die Veränderung der Temperatur mittels des ersten Hauptsatzes der Thermodynamik in Abhängigkeit von solarer Einstrahlung, Albedo und Zusammensetzung der Atmosphäre zu beschreiben. Dynamische Prozesse spielen nur implizit eine Rolle.
Das ‘nulldimensionale’ EBM
Im einfachsten Fall wird in einem langfristigen, global gemittelten Modell
angenommen, dass die eintreffende Bestrahlungsstärke der Sonne
, die kurzwellige Rückstreuung
und die langwellige Ausstrahlung
sich im zeitlichen Mittel ausgleichen.
Gleichen sich die Energieflüsse nicht aus, ergibt sich eine von der
Wärmekapazität abhängige Temperaturänderung. Im
‘nulldimensionalen’ Fall, d.h. ohne horizontal oder vertikal räumliche
Auflösung, orientiert man sich an dem Speichervermögen der Ozeane: Sie bedecken
etwa 71% der Erdoberfläche und können über die obersten etwa 70 Meter verteilt
Wärme speichern ([Storch1999]). Die Speicherkapazität der Landflächen ist
dagegen vernachlässigbar klein. Somit lässt sich die Erdoberfläche als Ganzes
näherungsweise als Energiespeicher mit einer effektiven Wassertiefe von 50
Metern beschreiben.
(38)
Die kurzwellige Einstrahlung ist über die
Solarkonstante
gegeben. Als Maß
für das Rückstrahlungsvermögen wird ein global gemittelter Albedo-Wert
angenommen, welcher derzeit bei etwa
liegt ([Hupf2005]).
Somit werden 30% der einfallenden Strahlung werden zurückgestreut:
Mit dem Stefan-Boltzmann-Gesetz, welches besagt, dass die Ausstrahlung eines
Körpers von seinem Emissionswert , seiner Fläche
und der vierten Potenz seiner Temperatur
abhängt, wird die langwellige
Ausstrahlung
parametrisiert:
Der Faktor 0,95 berücksichtigt die unterschiedlichen Emissionseigenschaften
der Erdoberfläche. Durch den Faktor
findet der
Treibhauseffekt, also die Reduktion der effektiven atmosphärischen
Transmissivität, Berücksichtigung ([Klose2008]). Schließlich möchte man mit
jedem Modell zunächst die Realität so gut wie möglich beschreiben. Die global
gemittelte Jahrestemperatur der Erde, die es zu reproduzieren gilt, beträgt etwa
288 K. Damit ergibt sich für
ein Wert von etwa 0,7.
Während die Erde über ihre gesamte Oberfläche Energie abstrahlt, kann sie nur entlang der Kreisfläche
Solarstrahlung auffangen.
Zur numerischen Berechnung wird die in Gleichung (38) auftretende Zeitableitung als Differenz diskreter, aufeinanderfolgender Zeitschritte dargestellt.
(39)
Aufgelöst nach der Temperatur ergibt sich damit für den jeweils nächsten Zeitschritt:
Der Term führt
zu einer negativen Rückkopplung: Abweichungen vom Gleichgewicht werden
kompensiert, schnell pendelt sich ein stabiler Zustand ein ([Storch1999]).
Mehrdimensionale EBMs und Strahlungs-Konvektionsmodelle
Durch eine Auflösung der geographischen Breite und mehrerer übereinanderliegenden Atmosphärenschichten lässt sich das konzeptionelle, nulldimensionale Energie-Bilanzmodell in mehrere Dimensionen erweitern. Den einzelnen Modellvolumina werden individuelle Werte für Albedo, Transmissivität zugewiesen. Zusätzlich können Energietransporte durch eine Parametrisierung des Wärmeflusses zwischen einzelnen Zellen dargestellt werden.
Liegt der Vorteil von Energie-Bilanzmodellen in ihrer anschaulichen Vereinfachung, so liefern sie doch als Ergebnis zu warme Temperaturen in Bodennähe und zu niedrige Temperaturen in der oberen Atmosphäre ([Storch1999]). Konvektive Prozesse, die ebenso wie Strahlung zum Wärmetransport beitragen, werden in sogenannten Strahlungs-Konvektions-Modellen durch eine zusätzliche Parametrisierung der vertikalen Durchmischung berücksichtigt ([Etling2008]).
Während die Luftdichte mit der Zustandsgleichung für ideale Gase (1) einfach über den Luftdruck zu bestimmen ist, bereiten gerade die Auswirkungen turbulenter, subskaliger Verwirbelungen auf großskalige Strömungen Schwierigkeiten. Da sie nicht durch das räumlich diskrete Gitter erfasst und somit deterministisch berechnet werden können, wird die Parametrisierung zusätzlich stochastisch gewichtet ([Balzer1998]).
Als rechenintensive Weiterentwicklung der Energiebilanzmodelle wurden allgemeine Zirkulationssysteme (General Circulation Model, GCM) mit komplett dreidimensionaler Auflösung zur Wettervorhersage entwickelt. Ziel dabei war und ist es, durch immer genauere Bestimmungen des Anfangszustands und immer feinmaschigere räumliche Diskreditierungen den möglichen Vorhersagezeitraum weiter auszudehnen.
Für eine numerisch fundierte Wettervorhersage von nur einem Tag sind Daten aus ganz Europa nötig. Für eine Vorhersage zwei bis vier Tage im Voraus benötigt man bereits Beobachtungen der ganzen Hemisphäre. Für fünf- bis siebentägige Prognosen müssen auch globale Einflüsse berücksichtigt werden ([Balzer1998]).
Das erste Modell des EZMWF im Jahr 1979 bestand aus 15 vertikalen Schichten mit einer horizontalen Auflösung von 1,875° geographischer Länge bzw. Breite, was entlang einem Großkreis einem Gitterpunktabstand von 200 km entspricht. 1997 gab es bereits 31 vertikale Rechenniveaus mit einer horizontalen Auflösung von ca. 60 km. Seit 2007 sind mittlerweile 5000 Super-Prozessoren im Einsatz, um täglich mehr als 300 Millionen Beobachtungsdaten rund um den Globus zu verarbeiten. Dabei werden 91 vertikale Flächen berücksichtigt, der horizontale Gitterpunktabstand beträgt 25 km ([EZMWF2007]).
Zur Verkürzung der Rechenzeit hat sich in den 1990er Jahren ein spektrales Berechnungsverfahren durchgesetzt. Jede periodische Funktion kann durch Fouriertransformation in eine Summe von Sinus- und Cosinuswellen zerlegt werden. Die horizontale Auflösung wird daher auch als Anzahl der auf einem Großkreis aufgelösten Wellen angegeben, beispielsweise T21, T213, oder aktuell: T799 ([EZMWF2007]). [17]
Beinhalten Gleichungen nichtlineare Terme, so können Prozesse scheinbar regellose Lösungen haben, die empfindlich von Anfangswerten und Parametern abhängen. Zusätzlich können sich Modellfehler, Beobachtungsfehler und numerische Rundungsfehler mit zunehmenden Rechenschritten selbst bei einfachen Gleichungen anhäufen, was zu ‘deterministischem Chaos’ führt (siehe Abbildung: Deterministisches Chaos).
“Kollabieren” von Lösungen durch irreguläre Beobachtungsfehler (1), fehlerhaften physikalischen Modellierungen (2) oder Computerfehlern (3). Quelle: [Balzer1998]
Damit ist gemeint, dass auch bei bekannten zugrundeliegenden Regeln Lösungen zumindest innerhalb einer gewissen Schwankungsbreite auseinanderlaufen können.
In der meteorologischen Praxis bereitet v.a. die Bestimmung der vertikalen Geschwindigkeitskomponente Schwierigkeiten. Diese ist insbesondere für Wolkenbildung und Niederschlag von Bedeutung. Bei den meisten Messungen wird von der hydrostatischen Näherung ausgegangen, um beispielsweise Schallwellen herauszufiltern ([Balzer1998]). Dabei wird eine Messung der vertikalen Geschwindigkeit unmöglich.
Eine heute übliche Methode, diesen Problemen zu begegnen, stellen Vorhersage-Ensembles (Ensemble-Progose-System, EPS) nach dem Prinzip der Monte-Carlo-Methode dar:
Statistisch werden zufällig erzeugte Störungen in das Ausgangsfeld einkalkuliert. Diese Modelle mit unterschiedlichen Anfangsbedingungen, unterschiedlichen Parametrisierungen oder Kombinationen aus beidem werden parallel gerechnet und miteinander sowie mit aktualisierten Beobachtungsdaten verglichen.
Sind die Ergebnisse der Ensembles für einen Zeitraum der Prognose ähnlich und stimmen mit aktualisierten Beobachtungen überein, so ist das ein Indiz dafür, dass die Vorhersage für diesen Zeitraum relativ sicher ist. Im Gegensatz dazu werden Prognosen, welche den übrigen Vorhersagemodellen oder Beobachtungsdaten zu widersprechen scheinen, mit einer geringen Wahrscheinlichkeit gewichtet bzw. durch neue Rechenläufe ersetzt.
Während in einigen Fällen die Großwetterlage somit über 10 Tage recht gut prognostizierbar ist, gibt es andere Fälle, bei denen bereits nach wenigen Tagen eine zufriedenstellende Vorhersage kaum möglich ist ([EZMWF2007]).
Anmerkungen:
[1] | Die Sonne besitzt mit ![]() ![]() |
[2] | Als Ekliptik wird die Neigung der Rotationsachse der Erde gegenüber ihrer Bahnebene um die Sonne bezeichnet, siehe Abschnitt :ref`Die Ekliptik der Erde` |
[3] | Für reale Gase lautet die van-der-Waalsche Zustandsgleichung: ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
[4] | Das häufig für die absolute Luftfeuchtigkeit verwendete Symbol ![]() ![]() |
[5] | Oft ist in der Literatur auch von Navier-Stokeschen Gleichung*en* die Rede. In diesem Fall ist die Gleichung komponentenweise für die drei Raumrichtungen dargestellt. |
[6] | Für den Betrag der Zentrifugalbeschleunigung am Äquator gilt: ![]() |
[7] | Für den Betrag der Gravitionsbeschleunigung gilt: ![]() |
[8] | Die Begriffe Reibungstensor und (zäher) Spannungstensor sind identisch. |
[9] | Die Prandtl-Schicht wird auch bodennahe Grenzschicht genannt, siehe Abbildung: Aufbau der atmosphärischen Grenzschicht |
[10] | Die Schubspannungsgeschwindigkeit ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
[11] | ‘Vorticity’ ist das englische Wort für Wirbelstärke. |
[12] | Der Stokes’sche Integralsatz besagt, dass sich innerhalb
einer geschlossenen Fläche |
[13] | Am Äquator wechselt der Coriolis-Parameter das Vorzeichen. Anstelle zu Kreisbewegungen kommt es hier zu wellenartigen Trägheitsbewegungen um den Äquatorgürtel. |
[14] | Bei einem Erdumfang in dieser Breitenlage (60° N) von ca. 20000 km treten somit zwei bis maximal drei Tröge bzw. Keile auf (Wellenzahl 2-3). |
[15] | World-Weather-Watch-System (WWW), auch als ‘Global-Observation- System’ (GOS) bezeichnet |
[16] | European Centre for Medium Range Weather Forecatsts, ECMWF |
[17] | T steht hierbei für “truncation” = Abschnitt |
Literaturhinweise:
[BMWI2008] | (1, 2) Bundesministerium für Wirtschaft (BMWI): Energiedaten - nationale und internationale Entwicklung. 2008, http://bmwi.de/BMWi/Navigation/Energie/statistik-und-prognosen.html |
[Balzer1998] | (1, 2, 3, 4, 5, 6, 7) Konrad Balzer, Wolfgang Enke und Werner Wehry: Wettervorhersage – Mensch und Computer, Daten und Modelle. Springer-Verlag, 1998. |
[Boljahn2009] | (1, 2, 3) Marcus Boljahn: Rossby-Wellen. Instituts für Meteorologie, FU Berlin, 2009. http://wekuw.met.fu-berlin.de/protu/ROSSBY-Wellen.html |
[Bronstein2001] | I.N. Bronstein, K.A. Semendjajev, G.Musiol und H. Muhlig: Taschenbuch der Mathematik. Harri Deutsch Verlag, Frankfurt am Main, 2001. |
[Etling2008] | (1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13) Dieter Etling. Theoretische Meteorologie. Springer-Verlag, Berlin, 2008. |
[EZMWF2007] | (1, 2, 3) Europäisches Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage (EZMWF): Offizielle Broschüre, 2007. |
[Hupf2005] | (1, 2, 3, 4, 5, 6) Peter Hupfer und Wilhem Kuttler: Witterung und Klima. Teubner-Verlag, Wiesbaden, 2005. |
[Klose2008] | (1, 2, 3, 4, 5, 6, 7) Brigitte Klose: Meteorologie. Springer-Verlag, 2008. |
[Kuchling2004] | Horst Kuchling: Taschenbuch der Physik. Fachbuchverlag Leipzig im Carl Hanser Verlag, München, 2004. |
[Kunz2006] | (1, 2) Michael Kunz, Christian Hauck und Christoph Kottmeier: Skript Meteorologische Naturgefahren. Institut fur Meteorologie und Klimaforschung, Universität Karlsruhe, 2006. |
[Malberg2007] | (1, 2, 3) Horst Malberg: Meteorologie und Klimatologie. Springer-Verlag, Berlin, 2007. |
[Pichler1986] | (1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8) Helmut Pichler: Dynamik der Atmosphäre. Bibliographisches Institut, Mannheim / Zürich, 1986. |
[Roedel2000] | (1, 2, 3, 4, 5, 6, 7) Walter Roedel: Physik unserer Umwelt - Die Atmosphäre. Springer Verlag, Berlin, 2000. |
[Simmer2003] | Claus Simmer: Meteorologie für Einsteiger. Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, Bonn, 2003. |
[Storch1999] | (1, 2, 3, 4, 5, 6) Hans von Storch, Stefan Güss und Martin Heimann: Das Klimasystem und seine Modellierung. Springer-Verlag, 1999. |
[Wuerfel1995] | Peter Würfel: Physik der Solarzellen. Spektrum-Verlag, Heidelberg, 1995. |