Bewegungen mit konstanter Beschleunigung

Das Modell einer Bewegung mit konstanter Beschleunigung stellt eine Verallgemeinerung einer Bewegung mit konstanter Geschwindigkeit dar. Hat ein sich bewegendes Objekt insbesondere eine konstante Beschleunigung mit einem Wert von Null, so bewegt es sich mit konstanter Geschwindigkeit fort; Eine Bewegung mit konstanter Gschwindigkeit kann also Spezialfall einer beschleunigten Bewegung angesehen werden.

Durch das Einbeziehen von Beschleunigungen wird berücksichtigt, dass keine abrupten, sondern stets nur kontinuierliche Geschwindigkeitsänderungen möglich sind. Die allgemeinen Zusammenhänge zwischen Geschwindigkeitsänderung, Beschleunigung und Zeit beziehungsweise Wegstrecke werden im folgenden Abschnitt zunächst für geradlinige, dann auch für zusammengesetzte Bewegungsvorgänge näher beschrieben.

Eindimensionale Bewegungen mit konstanter Beschleunigung

Bei einer Bewegung mit konstanter Beschleunigung nimmt die Geschwindigkeit eines Objekts in gleichen Zeitabschnitten um den jeweils gleichen Betrag zu beziehungsweise ab.

Definition:

Die Beschleunigung a eines sich geradlinig bewegenden Objekts ist gleich dem Verhältnis aus der Geschwindigkeitsänderung \Delta v und der dazu benötigten Zeit \Delta t:

(1)a = \frac{\Delta v}{\Delta t}

Einheit:

Die Beschleunigung wird in Meter je Quadratsekunde (\unitfrac{m}{s^2}) angegeben.

Beispiele:

  • \unitfrac[1]{m}{s^2} ist die Beschleunigung eines Objekts, dessen Geschwindigkeit sich in \unit[1]{s} um \unitfrac[1]{m}{s} ändert.
  • Ein Fahrzeug, das in einer Zeit von t=\unit[10]{s} von \unitfrac[0]{km}{h} auf \unitfrac[100]{km}{h} =
\unitfrac[27,8]{m}{s} angetrieben wird, weist eine Beschleunigung von \unitfrac[2,78]{m}{s^2} auf.
  • Die Beschleunigung die ein Objekt im freier Fall auf der Erde erfährt („Erdbeschleunigung“), beträgt rund \unitfrac[9,81]{m}{s^2}. Häufig wird diese Beschleunigung, die bei vielerlei physikalischen Vorgängen eine Rolle spielt, mit dem Buchstaben g=\unitfrac[9,81]{m}{s^2} bezeichnet und Ortsfaktor genannt.

Bei längeren Bewegungsvorgängen können aufeinander folgende Zeitabschnitte unterschiedliche Beschleunigungen aufweisen. Beispielsweise beschleunigt ein Sprinter zunächst gleichmäßig, bis er seine Höchstgeschwindigkeit erreicht hat, hält diese Geschwindigkeit (möglichst) konstant bis zum Ziel, und bremst nach der Ziellinie wieder gleichmäßig ab. Derartige Bewegungsvorgänge lassen sich oftmals abschnittsweise durch jeweils konstante (Durchschnitts-)Beschleunigungen beschreiben.

fig-a-t-diagramm-konstante-beschleunigung

Beschleunigung-Zeit-Diagramme einer konstanten Beschleunigung. Der Wert der Beschleunigung kann größer, gleich oder kleiner Null sein.

Beschleunigung und Geschwindigkeit

Aus Gleichung (1) folgt, dass sich die Geschwindigkeit bei einer konstanten Beschleunigung a in gleichen Zeitabschnitten \Delta t kontinuierlich um den Wert \Delta v = a
\cdot \Delta t verändert.

Kennt man die (konstante) Beschleunigung a eines Objekts und weiß, über welchen Zeitabschnitt \Delta t die Beschleunigung anhält, so kann man im Allgemeinen jedoch nicht angeben, wie groß die Geschwindigkeit v des Objekt zur Zeit t ist. Hierzu muss man zusätzlich wissen, wie groß die anfängliche Geschwindigkeit v_0 des Objekts war. Für den zeitlichen Verlauf der Geschwindigkeit v(t) gilt also:

v(t) = a \cdot \Delta t + v_0

Zeichnet man ein v(t)-Diagramm einer solchen Bewegung, so entspricht der Graph der Geschwindigkeit einer Geraden.

fig-v-t-diagramm-konstante-beschleunigung

Geschwindigkeit-Zeit-Diagramme einer konstanten Beschleunigung. Die Steigung der Geschwindigkeit-Zeit-Geraden kann größer, gleich oder kleiner Null sein.

Die Steigung einer v(t)-Geraden hat folgende Bedeutung:

  • Umso steiler die Geschwindigkeit-Zeit-Gerade ist, desto größer ist die Beschleunigung.
  • Ist die Beschleunigung des beobachteten Objekts gleich Null, so entspricht die Geschwindigkeit-Zeit-Linie einer waagrechten Geraden. Dies gilt gleichermaßen für ruhende und sich mit konstanter Geschwindigkeit v_0 bewegende Objekte.
  • Eine Beschleunigung entgegen der ursprünglich als „positiv“ festgelegten Raumrichtung erhält ein negatives Vorzeichen – egal, ob das beobachtete Objekt ruht oder sich mit einer konstanten Geschwindigkeit v_0 fortbewegt. Dies hat – je nach Wert der Anfangsgeschwindigkeit v_0 – eine Beschleunigung „in Gegenrichtung“ beziehungsweise ein kontinuierliches Abbremsen zur Folge.

Aus einem v(t)-Diagramm kann also die Beschleunigung zu einem Zeitpunkt t ermittelt werden, indem man an dieser Stelle nicht den Wert, sondern die Steigung der Diagramm-Linie betrachtet. Beispielsweise gilt für einen Bremsvorgang v>0, während für die Geschwindigkeitsänderung (und somit für die Steigung des Graphen) \Delta v < 0 gilt.

Beschleunigung und Wegstrecke

Zeichnet man in ein s(t)-Diagramm die zurückgelegte Wegstrecke in Abhängigkeit von der Zeit ein, so hat der Graph bei einer beschleunigten Bewegung (a \ne 0) ein parabelförmigen Verlauf. Die konkrete Form der Parabel hängt von der Anfangsgeschwindigkeit v_0 und der anfänglichen Entfernung s_0 des Objekts vom Beobachter (Koordinatenursprung) ab.

fig-s-t-diagramm-konstante-beschleunigung

Weg-Zeit-Diagramme einer konstanten Beschleunigung. Für a > 0 ist die Weg-Zeit-Parabel nach oben, für a < 0 nach unten geöffnet (linkes bzw. rechtes Bild). Für a = 0 entspricht die Weg-Zeit-Funktion einer Bewegung mit konstanter Geschwindigkeit (mittleres Bild).

Wegstrecken in v(t)-Diagrammen ablesen

Zunächst soll angenommen werden, dass zum Zeitpunkt t_0=0 die Bewegung am Koordinatenursprung s_0 mit einer Startgeschwindigkeit von v_0=0 beginnt. In diesem Fall gilt:

(2)\Delta s = \frac{1}{2} \cdot a \cdot \Delta t^2

Diesen Zusammenhang kann man sich anschaulich erklären, indem man bedenkt, dass sich eine zurückgelegte Wegstrecke letztlich ein Produkt aus Geschwindigkeit und Zeit darstellt. Stellt man sich den Zeitabschnitt \Delta t, in dem die Beschleunigung stattfindet, nochmals in viele kleine Zeitabschnitte \Delta t_1^{*}, \Delta t_2^{*}, \Delta t_3^{*} usw. unterteilt vor (wie bei einer Betrachtung des Vorgangs mit Stroboskop-Licht), so kann man in diesen kurzen Momenten die jeweiligen Geschwindigkeiten v_1^{*}, v_2^{*}, v_3^{*} usw. jeweils in guter Näherung als konstant annehmen.

Bei einer solchen Aufteilung in viele kleine Zeitschritte mit jeweils konstanten Geschwindigkeiten lassen sich die in den einzelnen Zeitschritten zurückgelegten Wegstrecken mittels der Formel \Delta s = v \cdot \Delta t berechnen; die Einzelergebnisse können dann zum Gesamtergebnis aufsummiert werden. In einem v(t)-Diagramm entsprechen die so berechneten einzelnen Wegstrecken den Rechteck-Flächen zwischen der (stufenförmigen) Geschwindigkeit und der t-Achse.

Ist die Beschleunigung konstant, so nimmt die Geschwindigkeit v des sich bewegenden Objekts linear mit der Zeit zu. Der Mittelwert der einzelnen Geschwindigkeiten während des Beschleunigungsvorgangs entspricht wiederum der Durchschnittsgeschwindigkeit \bar{v} des Objekts:

(3)\bar{v} = \frac{v_{\mathrm{0}} + v}{2}

Mit v_0 wird hierbei wiederum die Geschwindigkeit zu Beginn der Beschleunigung, mit v die (End-)Geschwindigkeit zum Zeitpunkt t bezeichnet. Ist insbesondere die Startgeschwindigkeit v_0 = 0, so ist \bar{v} = \frac{1}{2} \cdot v, also gleich der Hälfte der Endgeschwindigkeit. In diesem Fall gilt somit für die während des Beschleunigungsvorgangs zurückgelegte Wegstrecke:

\Delta s = \bar{v} \cdot \Delta t &= \frac{1}{2} \;\;\; \cdot \;\; v \;\; \cdot \;\;\; \Delta t \\
&= \frac{1}{2} \cdot (a \cdot \Delta t) \cdot \Delta t = \frac{1}{2} \cdot a
\cdot \Delta t^2

Der Hintergedanke bei dieser Gleichung ist, dass während des Beschleunigungsvorgangs – über alle kleinen Zeitschritte gemittelt – die durchschnittliche „Höhe“ der Rechtecke gleich der Durchschnittsgeschwindigkeit \bar{v} ist; die Gesamt-Fläche zwischen der v(t)-Linie und der t-Achse ist also identisch mit der Fläche, die man erhält, wenn man die Durchschnittsgeschwindigkeit \bar{v} mit \Delta t multipliziert.[1]

Die gleiche Überlegung trifft ebenso zu, wenn die Anfangsgeschwindigkeit v_0 \ne 0 ist. In diesem Fall gilt für die Durchschnittsgeschwindigkeit:

\bar{v} = \frac{v_0 + v}{2} = v_0 + \frac{1}{2} \cdot a \cdot \Delta t

Die Durchschnittsgeschwindigkeit ist also allgemein gleich dem Mittelwert zwischen der Start- und Endgeschwindigkeit; bei einer konstanten Beschleunigung a wird sie zur Hälfte der Beschleunigungszeit \Delta t, also zum Zeitpunkt (t_{\mathrm{start}} +) \frac{1}{2} \cdot \Delta t erreicht. Setzt man wiederum diesen Term für \bar{v} in die Bewegungsgleichung ein, so erhält man:

(4)\Delta s = \bar{v} \cdot \Delta t = \frac{1}{2} \cdot a \cdot \Delta t^2 +
v_0 \cdot \Delta t

Diese Gleichung gibt allgemein den Zusammenhang zwischen der zurückgelegten Wegstrecke \Delta s, der Beschleunigung a, der Anfangsgeschwindigkeit v_0 und der Zeitdauer \Delta t an.

Die allgemeine Bewegungsgleichung

Die Gleichung (4) ist tatsächlich eine Verallgemeinerung der bislang betrachteten Fälle:

  • Ist die Beschleunigung a=0, so erhält man die Ortsgleichung für Bewegungen mit konstanter Geschwindigkeit:

    a = 0 \quad \Rightarrow \quad \Delta s = \underbrace{\frac{1}{2} \cdot 0
\cdot \Delta t^2}_{=0} + v_0 \cdot \Delta t = v_0 \cdot \Delta t

  • Ist die Anfangsgeschwindigkeit v_0 = 0, so erhält man die Ortsgleichung (2) für Bewegungen mit konstanter Beschleunigung ohne Anfangsgeschwindigkeit:

    v_0 = 0 \quad \Rightarrow \quad \Delta s = \frac{1}{2} \cdot a \cdot \Delta
t^2 + \underbrace{0 \cdot \Delta t}_{=0} = \frac{1}{2} \cdot a \cdot
\Delta t^2

Man kann sich eine beschleunigte Bewegung mit Anfangsgeschwindigkeit also als zwei Prozesse vorstellen, die gleichzeitig ablaufen, ohne sich gegenseitig zu beeinflussen (einmal die Bewegung mit der konstanten Anfangsgeschwindigkeit und einmal die Bewegung mit der konstanten Beschleunigung ohne Anfangsgeschwindigkeit). Beide Teilprozesse können somit getrennt voneinander betrachtet und ihre Effekte addiert werden.

Den konkreten Ort s(t) eines Objekts erhält man schließlich, indem man bei der Bewegung dessen anfängliche Entfernung vom Koordinatenursprung s_0 mit berücksichtigt:

(5)s(t) = \bar{v} \cdot \Delta t + s_0 = \frac{1}{2} \cdot a \cdot \Delta t^2 +
v_0 \cdot \Delta t + s_0

Diese Formel genügt in Kombination mit der Formel v(t) = a \cdot \Delta t +
v_0 bereits, um den Ort sowie die Geschwindigkeit eines Objekts zu jedem beliebigen Zeitpunkt angeben zu können, sofern die Startwerte bekannt sind und die Beschleunigung konstant ist.[2]

Die Bremsformel

Insbesondere für Bremsvorgänge gibt es eine weitere nützliche Formel, die sich aus der obigen Gleichung (4) herleiten lässt.[3] Mit einer Anfangsgeschwindigkeit v_0 gilt für den Zusammenhang zwischen v, a und \Delta s:

(6)v^2 - v_0^2 = 2 \cdot a \cdot \Delta s

Diese Gleichung wird häufig „Bremsformel“ genannt; im Fall v=0 lässt sich damit der Bremsweg \Delta s = \frac{v_0^2}{2 \cdot |a|} bei bekannter Anfangsgeschwindigkeit und Beschleunigung unmittelbar berechnen. Die „Bremsformel“ lässt sich allerdings auch allgemein auf Bewegungen mit konstanter Beschleunigung anwenden und erleichtert insbesondere dann das Rechnen, wenn in der Aufgabenstellung keine Zeitangabe enthalten ist.

Reaktionszeit und Anhalteweg

Um die gesamte Strecke zu berechnen, die ein Fahrzeug zum Anhalten benötigt, muss neben dem Bremsweg auch die Wegstrecke berücksichtigt werden, die der Fahrer während der Reaktionszeit zurücklegt. Es gilt also:

\Delta s_{\mathrm{Anhalte}} = \Delta s_{\mathrm{Brems}} + \Delta
s_{\mathrm{Reaktion}}

Während der Reaktionszeit, die oftmals vereinfacht als „Schrecksekunde“ angenommen wird, bewegt sich das Fahrzeug mit der konstanten Geschwindigkeit v_0 weiter. Es ergibt sich somit mit t_{\mathrm{Reaktion}}
\stackrel{\wedge}= \unit[1]{s}:

\Delta s_{\mathrm{Anhalte}} = \frac{v_0^2}{2 \cdot |a|} + v_0 \cdot t_{\mathrm{Reaktion}}

Der Bremsweg (und somit auch der Anhalteweg) nimmt bei der gleichen Bremsbeschleunigung quadratisch mit der Geschwindigkeit zu; aus diesem Grund sind in Ortschaften sowie an unübersichtlichen Stellen Geschwindigkeitsbegrenzungen für die Verkehrssicherheit wichtig.

Beschleunigungen und Kräfte

Beschleunigungen treten allgemein dann auf, wenn eine resultierende Kraft F_{\mathrm{res}} auf einen Gegenstand einwirkt; für die Beschleunigung gilt dabei a = \frac{F}{m}, wobei m für die Masse des Gegenstands steht. Kennt man also die auf einen Gegenstand einwirkenden Kräfte, so kann mittels der obigen Formeln auch dessen Bewegung vorhergesagt werden; umgekehrt können aus berechneten oder gemessenen Beschleunigungswerten auch die entsprechenden Kräfte abgeschätzt werden.


Anmerkungen:

[1]Eine andere, gleichwertige Überlegung ist, dass die Fläche zwischen der v(t)-Linie und der t-Achse ein Dreieck darstellt. Dieses Dreieck entspricht genau der Hälfte des Rechtecks, das man erhält, wenn man v(t) = a \cdot \Delta t mit \Delta t multipliziert. In beiden Fällen sind die berechneten Flächen identisch.
[2]Bei nicht konstanten Beschleunigungen müsste der Prozess in Teilabschnitte mit jeweils konstanten (Durchschnitts-)Beschleunigungen zerlegt werden. Die ist meist mit erheblich mehr Rechenaufwand verbunden und wird kaum ohne Hilfe von Computern berechnet.
[3]

Die Bremsformel (6) lässt sich durch folgende Umformungen auf die ursprünglichen Gleichungen (1) und (2) zurückführen:

v^2 - v_0^2 &= (a \cdot t + v_0)^2 - v_0^2 \\
&= a^2 \cdot t^2 + 2 \cdot a \cdot v_0 \cdot t + v_0^2 - v_0^2 \\
&= a^2 \cdot t^2 + 2 \cdot a \cdot v_0 \cdot t  \\
&= 2 \cdot a \cdot (\frac{1}{2} \cdot a \cdot t^2 + v_0 \cdot t) \\
&= 2 \cdot a \cdot \Delta s \quad \checkmark


Hinweis

Zu diesem Abschnitt gibt es Experimente und Übungsaufgaben.